Sapmi hat geschrieben:
Naja, ich weiß schon, wie Du's meinst, aber es gibt schon Futter, für das man erst mal 'ne längere Hungersnot hinter sich haben müsste (bei mir z. B. Spargel) und bei Schimmel weiß ich gar nicht, ob ich den überhaupt jemals runterwürgen könnte
Ach, solche grosse Abneigungen hab ich ja gar nicht.
Jetzt wird's philosophisch:
Ich kann tatsächlich zu gut Tenholas Anspielung verstehen, weil ich wohl die Jüngste unserer Truppe bin, die einen Bruchteil (aus "Ernährungssicht") wie "damals im Kriech" an eigenem Leib erlebt hat (obwohl ich jetzt nicht so verhungert aussehe

). In dem Ausnahmezustand (oder Kriegzustand, wörtlich) Anfang der 80er Jahre in Polen hatten wir nämlich:
- jahrelang keine einzige Zitrusfrucht. Wenn was geliefert wurde, wurde es portioniert und eingeschränkt (das meiste unter der Theke versteckt und gegen Schmiergeld an Bekannte verheckert). Sehr schwer einer 8-jährigen mit hängender Zunge (also mir :P ) zu erklären, wieso der Saft der Wassermelone noch trieft, man aber keine mehr bekommen kann

Auch sonstige Grundnahrungsmittel waren desöfteren "aus"
- Mangelerscheinungen bei Kindern war Alltag, Allergien hatte wohl niemand welche, hauptsache satt.
- in den schlimmsten Jahren gab es Rationcoupons für jegliche Lebensmittel. Darüberhinaus auch für Vodka (!) und Zigaretten (!) - der Reiz des verbotenen liess illegale Tätigkeiten blühen und Abhängige tauschten "Lebensmittelcoupons" gegen Schnapscoupons. Viele Familien gingen daran zugrunde.
- Warteschlangen, wenn "etwas geliefert wurde" (manchmal wusste man nicht mal was), die locker von Helsinki Dom bis zu Uspenski reichen würden, und du als 10-jährige Mitten drin, um wieder zu erfahren, dass nur noch drei Leute vor Dir sind, aber nix mehr da
- keine richtige Schokolade

(nebensächlich, aber für Kinder unbegreiflich) - Alternativnaschzeug z.B. trockenes Milchpulver mit Kakao und Zucker
- nicht zuletzt: viele Notstände durch Hilfe von Verwandten,
Fremden und Kirchenmissionen,
aus Deutschland gelöst (Fresspakete, sofern man sie über die "Mauer" durchgelassen hat). Ein Grund, wieso ich Nestk*ckerei abgeneigt bin

. Man darf nicht vergessen (auch wenn sich der Lebensstandard in D ständig verschlechtert), dass Deutschland einer der oder sogar
der grösste/n "Zahler" ist, wenn es um Notlagen geht.
Wie gesagt: alles sicher noch schlimmer im Krieg, aber besonders im Kindesalter kann man es nicht begreifen. Macht aber stark und schweisst zusammen.
Muss mir öfter mal anhören, dass in Finnland Sauerkraut "Kriegsfrass" war. Ist nicht bös gemeint, aber lästig auf Dauer als Gastgeberin. Zumal die wenigsten auch einstecken können, dass für meine Eltern waren Steckrüben Kriegsfrass, die in Finnland wiederrum auf den Festtisch kommen.
*philosophie aus*