Aus "Neues Deutschland" vom 09.11.2007 - von Volker Draeger
Das Festival Nord Wind bringt Theater, Tanz und Musik aus Skandinavien an fünf Orte
Dass Skandinaviens Kunstszene im Festlandeuropa wenig bekannt ist, gehört zu den Seltsamkeiten einer zusammenwachsenden Alten Welt. Mehrere Veranstaltungsreihen versuchen, dem abzuhelfen. Dazu gehört jetzt in Berlin das Festival Nord Wind.
Nach verheißungsvollem Auftakt im Vorjahr präsentiert dessen zweite Staffel knapp drei Wochen lang fast 20 Theater-, Tanz- und Musikproduktionen aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden. Die Botschaften der beteiligten Staaten und ein Heer freundlicher Unterstützer haben die von Ricarda Ciontos und Katja Kettner künstlerisch verantwortete Zusammenschau möglich gemacht. Admiralspalast, Ballhaus Ost, Dock 11, Kulturbrauerei und Tacheles öffnen dafür ihre Pforten.
Das Einpersonenstück »20. November« des namhaften Schweden Lars Norén als Festivaleinstand thematisiert nach originalen Internet-Tagebüchern den tödlichen Amoklauf eines ehemaligen Gymnasiasten im Nordrhein-Westfälischen Emsdetten. »Nachtwache« des gleichen Autors seziert mit scharfem Blick und tragikomischem Gestus eine Nacht im Leben von vier Menschen.
Zu den ungewöhnlichen Kunstprojekten rechnen Signa und seine Performance-Installationen. In Berlin stellt sich das dänische Team mit »The Dorine Chaikin Institute« vor, einer inszenierten Krankenhausabteilung, in die Zuschauer unter fiktivem Namen aufgenommen werden. Das Riksdrama Schweden offeriert Franz Xaver Kroetz: Sein wortloser Monolog »Wunschkonzert« behandelt unspektakulär einsames Leben in einer Neubauwohnung. In »August« des dänischen Hans Ronne Teatret setzen sich Clowns dem Risiko wie der Chance einer Begegnung aus. Prominentester Vertreter im Tanz ist der Norweger Jo Stromgren: In »The Hospital« analysiert er zu Musik von Bach bis Los Paraguayos drei Krankenschwestern in einem vergessenen Provinzkrankenhaus ohne Patienten.
Mit zwei kürzeren Choreografien stellt sich der Club Fisk vor, ein Verbund junger dänischer Choreografen. Norwegen entsandte die in Berlin nicht unbekannte Zero Visibility Corp. mit einem Stück über Schönheit, Wut, Erinnerung. Aus Island kommen als Doppelabend ein preisgekröntes Tanzsolo von Lara Stefansdottir um eine Frauengestalt der nationalen Literatur und die Uraufführung »Edda – The Prophecy«, ein heutiges Musikdrama nach Texten des fast dreitausendjährigen Sagenkreises Edda. Jazz singt mit eigener Combo die Dänin Caroline Henderson, die direkt vorher in einer Tragödie über Sehnsucht und Verlust auch als Schauspielerin auf der Bühne steht.
Seine Qualitäten stellt Finnlands Akkordeonstar Kimmo Pohjonen unter Beweis. Island konzipierte eine Musiknacht von alten Gesängen bis zum modernen Experiment. die finnische Gruppe Chantango vertritt Stile vom Tango über das Chanson bis zum Folksong. Gesprächsrunden mit den Künstlern, Tanzfilme aus Schweden, nordische Filmnacht, Symposium und Party verstärken den Nord Wind.
14.11.-2.12.
Karten am Telefon 47 99 74 27
Programm unter
http://www.nordwind-festival.de