Alkohol und die Finnen, ein langes Thema

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Syysmyrsky
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#166 Re: Alkohol und die Finnen, ein langes Thema

Beitrag von Syysmyrsky »

Quelle: Badische Zeitung, 14. April 2008 (Hannes Gamillscheg)

Die Alkoholflaschen sollen sauber bleiben
"WARNUNG" sollte auf den Flaschen stehen, in Blockbuchstaben. Und: "Alkohol ist schädlich für den Fötus und für deine Gesundheit." Ob auf Leichtbier im Supermarkt, Champagner beim Sektgelage oder dem Whisky-Fläschchen aus der Minibar - nirgends und in keiner Form sollte man in Finnland Alkohol konsumieren können, ohne von dem Warntext mit den Gefahren des Trinkens konfrontiert zu werden. So war es beschlossen, so sollte es anfangs nächsten Jahres in Kraft treten. Doch nun hat die Regierung in Helsinki eine Kehrtwendung gemacht und - was äußerst selten vorkommt - das längst verabschiedete Gesetz wieder zurückgezogen.
Seltsam findet dies die Alkoholforscherin Marjatta Montonen. "Das ist ein gigantischer Triumph der Alkoholindustrie und ein großer Verlust für die Finnen. Darunter werden wir alle leiden." Schließlich ist Alkohol die häufigste Todesursache unter Männern im arbeitsfähigen Alter, und die Frauen ziehen rasch nach. Jeder fünfte Finne und jede zehnte Finnin gelten als "harte Trinker" , auch wenn immer mehr Arbeitsplätze strenge Alkoholverbote erlassen. Der hohe Anteil betrunkener Täter führt dazu, dass Finnland einen Spitzenplatz in der europäischen Gewaltstatistik inne hat. Als die Regierung 2004 im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung die Steuern senkte, um die private Einfuhr von billigen Alkoholika zu unterbinden, wuchs der heimische Verkauf um 50 Prozent. Und obwohl seither die Abgaben wieder angehoben wurden, steigt der Konsum weiter.
Ein Einspruch der EU habe den Rückzug notwendig gemacht, begründet die Regierung, warum sie das Gesetz kippte, noch ehe es in Kraft trat. Tatsächlich hatte die EU-Kommission die Finnen darauf hingewiesen, dass die geplanten Regeln gegen den freien Wettbewerb verstießen. Doch für Marjatta Montonen ist das eine Ausrede. Sie gehörte der Arbeitsgruppe an, die die Warnung formulierte, und deren Arbeit sie nun "Farce" nennt. Die Hälfte der Experten sei von der Alkoholindustrie entsandt gewesen, die "ihre Flaschen am liebsten überhaupt nicht mit Warnetiketten besudelt hätten" , sagte die Forscherin. "Die vorige Regierung wollte die Labels, um dazu beizutragen, den rasch steigenden Alkoholkonsum zu bremsen. Die jetzige wählt eine andere Linie." Für die konservative Gesundheitsministerin Paula Risikko sind Warnaufschriften "nicht zweckdienlich" . Ähnlich sieht das ihr Parteifreund Timo Jaatinen, der Direktor des Brauereiverbandes: "Nur auszuposaunen, dass Alkohol schädlich ist, hilft nichts und bringt der Industrie nur unnötige Ausgaben."
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sunny1011
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#167 Re: Alkohol und die Finnen, ein langes Thema

Beitrag von sunny1011 »

Syysmyrsky hat geschrieben:Quelle: Badische Zeitung, 14. April 2008 (Hannes Gamillscheg)

Die Alkoholflaschen sollen sauber bleiben
Doch nun hat die Regierung in Helsinki eine Kehrtwendung gemacht und - was äußerst selten vorkommt - das längst verabschiedete Gesetz wieder zurückgezogen.
Die Geschichte tauchte bereits Anfang des Jahres auf und wurde in den News geschrieben, um nicht unnötig diesen Thread aus der Versenkung zu holen. Die Regierung hat nur die Kehrtwendung gemacht, weil der Text nicht vorab von der EU abgesegnet wurde. Da die Formulierung auf Schwangerschaft und grundsätzliche Gesundheitsschädigende Wirkung lautete, wurde sie abgelehnt von der EU-Kommission, weil eine grundsätzliche Gesundheitsschädigung schlichtweg nicht stimmt. Einige Flaschen waren bereits auf dem Markt und wurden zurückgezogen. Ein erneuter Versuch wurde nicht unternommen, weil die Umstellung der Linien sehr hohe Kosten mit sich bringt, insbesondere bei Finlandia Wodka (in Millionenhöhe) und auch das müsste an den Konsumenten weitergegeben werden.
Syysmyrsky hat geschrieben:Quelle: Badische Zeitung, 14. April 2008 (Hannes Gamillscheg)

Die Alkoholflaschen sollen sauber bleiben
Seltsam findet dies die Alkoholforscherin Marjatta Montonen. "Das ist ein gigantischer Triumph der Alkoholindustrie und ein großer Verlust für die Finnen. Darunter werden wir alle leiden." Schließlich ist Alkohol die häufigste Todesursache unter Männern im arbeitsfähigen Alter, und die Frauen ziehen rasch nach.
Es ist kein Triumpf der Alkoholindustrie, zumal die Aufschriften auf den Zigaretten wohl auch nicht viel bringen. Es stimmt, dass die Zahlen von Alkohol als Todesursache höher denn je geworden sind.
Syysmyrsky hat geschrieben:Der hohe Anteil betrunkener Täter führt dazu, dass Finnland einen Spitzenplatz in der europäischen Gewaltstatistik inne hat.
Das ist aber überraschend. Ob die Anzahl der Einwohner in Betracht gezogen ist.
Syysmyrsky hat geschrieben:Als die Regierung 2004 im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung die Steuern senkte, um die private Einfuhr von billigen Alkoholika zu unterbinden, wuchs der heimische Verkauf um 50 Prozent. Und obwohl seither die Abgaben wieder angehoben wurden, steigt der Konsum weiter.
Samt einem Anstieg des Alkoholtourismus erneut nach der (nun wirklich geringen) Erhöhung der Steuer, der sicherlich noch nichtmal in den Statistiken erfasst ist, denn wie kann man es kontroliert?
Syysmyrsky hat geschrieben:Tatsächlich hatte die EU-Kommission die Finnen darauf hingewiesen, dass die geplanten Regeln gegen den freien Wettbewerb verstießen. Doch für Marjatta Montonen ist das eine Ausrede.
So wie zuvor berichtet wurde, die Etiketten waren keine finnische Erfindung, sondern sollten EU-weit eingeführt werden, allerdings als wahrheitsgemässe Warnung (übermässiger Konsum ist gesundheitsschädigend) und nicht als Propaganda (Alkohol ist gesundheitsschädigend, ja - auch Dein Glas Rotwein zum Essen :roll: )
Syysmyrsky hat geschrieben:Die vorige Regierung wollte die Labels, um dazu beizutragen, den rasch steigenden Alkoholkonsum zu bremsen.
Bremsen womit? Mit Labels und teuren Preisen? Es hat schon jahrzehnte nicht funktioniert. Heilmöglichkeiten für Alkoholiker (wegen der Warteschlangen für eine Behandlung) sind nicht wirklich gegeben, trotz Steuereinnahmen.
Syysmyrsky hat geschrieben:"Nur auszuposaunen, dass Alkohol schädlich ist, hilft nichts und bringt der Industrie nur unnötige Ausgaben."
Und die Debatte frisst nur Steuergelder auf.
Aus Finnen von Sinnen [auf Finndeutsch]: "Finnland verhält sich zu der Erde wie das Erde zu der Universum. Weisst du, wir sind ein bisschen weit weg von die Zentrum, und wenn du vorbeifliegst an uns, denkst du, ach, da gibt es doch nur Wasser und Wolken. Deswegen steigt auch wenige aus hier. Macht aber nix, sind ja auch ganz gut allein zurechtgekommen bis jetzt (...) Allerdings lässt sich dieser O-Ton (...) hochmutiger auslegen. (...) dass ihre Heimat der einzige Ort auf Erden ist, an dem sich wahrhaft intelligentes Leben findet (...)
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