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#16 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 19:56
von Svea
Loja schrieb am 07.11.2006 19:49
Gute Idee! Eh vertane Zeit. ;)
Ist was Wahres dran. Vertan ist die Zeit zwar nicht ;) , aber mit der Berufsrealität hat zumindest ein Studium oft nicht so viel zu tun (Ausbildung mag anders sein).
Wenn man sich anguckt, was die Leute, die irgendwas bestimmtes studiert haben, später machen bzw. was sie eigentlich von den Studieninhalten brauchen... :rolleyes: 'Ne Freundin von mir hat Informatik studiert. Sie hat sofort nach dem Studium eine Stelle bei einem Softwarehersteller bekommen, braucht aber groß nix von den bisherigen Studieninhalten. Ein anderer Freund macht Mathedoktor, "weil es so lustig ist". Berufsziel: Hausmann

.
Ich glaube auch nicht, dass meine speziellen Studieninhalte für meine berufliche Zukunft existentiell wichtig sind.
#17 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 20:07
von Loja
Das Problem ist doch, dass "man" während des Studiums und der Ausbildung häufig Sachen lernen muss, die mit dem späteren Berufsalltag rein gar nichts zu tun haben. Die Berufsbezogenheit ist einfach zu gering. Deswegen sind mindestens 3-4 Semester der Studienzeit vertane Zeit. Ich muss auch hohnlachen über den Spruch "Bildung schafft Arbeit". Wenn man die Praxis betrachtet ist es vielmehr so, je dümmer, desto leichter findet man einen Job.
Außerdem kann man in diesem unseren Lande sogar als gelernter Fliesenleger eine politische Karriere mit Verantwortung für Millionen Bürger und einem 5stelligen Gehalt erreichen. Vitamin B macht's. Wundert mich nicht, dass viele Jugendliche gar nicht einsehen sich in der Schule anzustrengen. O-Ton eines Schülers: Wieso soll ich diesen Mist lernen, ich werde Müllmann, da verdien ich locker 3000€ netto.

#18 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 20:13
von Svea
Joschka Fischer hat nicht nur die Schule nach der 10. Klasse, sondern auch seine anschließende Fotografenausbildung abgebrochen. Hat seiner Karriere nicht geschadet

.
#19 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 20:25
von Loja
Irgendwie machen wir was falsch

.
#20 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 20:26
von sunny1011
Was biste schlimm heute, Loja.
Jodeln schlägt sogar Yoga
Jodeln ist gesünder als Yoga! Das haben Wissenschaftler der Universität Graz herausgefunden. Jodeln entspannt, baut Streß ab und kräftigt die Lungen.
http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/0 ... 6a0104.asp
Es geht nich um Abschaffen der Ausbildungen sondern, dass grundsätzlich mit zweierlei Mass gemessen wird. Es wird aufgebauscht wie toll doch alle finnischen Spezialausbildungen sind und es geht nicht ohne. Ich hab so einiges von innen gesehen und es gab
extrem gute Studien, Schulungen oder Fortbildungen und es gab
den letzten Mist,der mit diletantischen Methoden fürs Geld angeboten wurde (von namhaften staatlichen Hochschulen). Die Spezialanforderungen stellen doch sofort eine Hürde für z.B. einen Muttersprachler-Sprachlehrer oder -Nachhilfelehrer. Am schlimmsten finde ich die "Einheitsausbildungen": ich finde dass in der individuellen Kombination die Würze liegt.
Ich hab heut noch im Kursangebot der führenden Unis mit Fachbereich Sprachen, Kommunikation und Übersetzungswesen gestöbert. Ob Deutsch, Spanisch, Portugiesisch, auch in Übersetzerstudiengängen - 85% davon unterrichten Finnen. Das ist nicht richtig, denn professionell übersetzt wird
nur in die Muttersprache. Verlockend wirkte auf mich ein Kurs namens "cultura y negocios en América Latina". Ich hab's 5 Jahre lang gewälzt in Köln und es hat tierisch Spass gemacht, aber ich will darüber nicht von Finnen lernen

. Das ist Insiderwissen. Von Finnen will ich über finnische Kultur lernen, Herrje. Als würde ich nun einen Kurs über die Entstehung der äthiopischen Zöpfeflechtkunst anbieten...
@Svea - nach fast 10 Jahren kann ich sagen - recht hast Du. Mit Berufsrealität hat das Studium meist nicht viel zu tun

Allerdings auch hier wieder ein Plus für die Finnen - die
praktische Orientierung (die mitunter zu den PISA Ergebnissen verholfen hat). Praktische Übungen heisst hier Projekte, Analysen, Entscheidungen statt Theorie. Aber auch in D scheint mit der praxisbezogenen Ausbildung voran zu gehen.
@Sapmi - hast du auch eine Waschanlage ohne Bürsten

?
#21 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 20:26
von Loja
Irgendwie machen wir was falsch

.
Aus Versehen doppelt gepostet. BITTE LÖSCHEN!!
#22 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 22:21
von Sapmi
@Sunny: Nee, aber Bürsten ohne Waschanlage.

#23 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 7. Nov 2006 23:58
von ulli
Svea schrieb am 07.11.2006 19:56
Ich glaube auch nicht, dass meine speziellen Studieninhalte für meine berufliche Zukunft existentiell wichtig sind.
Jedenfalls bei den Juristen vergessen Professoren meiner Meinung nach zu oft, dass sie akademische
Lehrer sind, sie scheinen eher ihrem Bedürfnis nach Anerkennung ihrer Forschungsergebnisse genügen zu wollen, nach dem Motto: Wenn mich schon die Kollegen nicht zitieren, die Studenten tun (müssen) es.
Was allerdings eine ganze Menge bringt (jedenfalls mir ... damals gebracht hat

), ist das Erlernen bestimmter Arbeitsweisen und -methoden. Ob dafür allerding ein mehrjähriges Universitätsstudium erforderlich ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.
#24 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 8. Nov 2006 00:16
von sunny1011
Was ich einerseits praktisch (falls man es braucht), anderseits sehr seltsam finde sind diese "pseudo Abschlüsse". Ich wollte nämlich meine Fortbildung fortsetzen und erhielt ein gutes aber sehr teures Angebot. Dann gab es noch eine zweite Möglichkeit. Ich wurde prima beraten. Bei der Beratung hat sich herausgestellt, dass man die Fächer anhand von verschiedenen (Berufs-)erfahrungen und früheren Ausbildungen anrechnen lassen kann (näyttötutkinto). Demnach bräuchte ich fast gar nichts zu belegen und könnte den Abschluss bekommen, nachdem wir diskutiert haben was ich bereits gemacht hab. Doch ich wollte mich lediglich in die Schulbank setzen und auf höheren Niveau Animationen, Graphics, Web lernen. Das find ich als eine Zusammenhängende Ausbildung nirgendwo. Es ging mir nicht um die Urkunde. Doch nach und nach wurde zugegeben, dass sie nicht mal die entsprechenden Lehrer dazu haben.
#25 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 17:19
von sunny1011
Es wird gerade eine Lehrer-Stelle (Deutsch und Schwedisch) auf einem Gymnasium in Mikkeli besetzt. Die Stellenanzeige löste bei mir ein schallendes Lachen aus. Bürokraten vom feinsten! Für eine popelige auf 4 Monate befristete Stelle braucht man Stempel und Beglaubigungen auf allen "Jodeldiplomen" und sogar aufm Lebenslauf 80 Es bleibt mir ein Rätsel, was bezweckt man mit einem beglaubigten Lebenslauf? Das ich ihn selbst ausgedruckt habe? Vor allem, weil in der Wirtschaft Bewerbungsablauf ist viel angenehmer als in Deutschland. Viel unkomplizierter.
Das find ich auch amüsant "Haku päättyy 08.01.2007 klo 15:00" (Bewerbungsschluss mit Stundenangabe).
Sowas könnte doch nur in Deutschland passieren, oder nicht? Und das Schlimmste - es wird ganz peinlich genau darauf geachtet. Öffentlicher Dienst - sag niemals nie - aber ich sag lieber nieeeee. Muttersprachlerkenntnisse werden nicht erwähnt. Würde mich auch wundern in einer so konservativen Umgebung.
#26 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 18:29
von Naali
Auf die Kopien der Zeugnisse braucht man die Beglaubigung und das ist ja eigentlich auch normal. Beglaubigte Lebensläufe sind üblich bei Gymnasiallehrern und Uniprofessoren (sowie ähnliches). Anonsten sind sie nicht üblich und oft müssen die Zeugniskopien auch nicht beglaubigt sein.
#27 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 18:41
von sunny1011
Nö, in der Wirtschaft -- daher bei den meisten Stellen die auf den gängigen Internetseiten oder in der Presse inseriert werden -- braucht man lediglich eine E-Mail oder einen Onlineform,
was ich in FINNLAND sehr sympatisch finde, wollte ich ausnahmsweise betonen

) . Man wird aufgefordert oder manchmal gar nicht (darf es jedoch vorschlagen) seine Präsentationsmappe zum Gespräch mitzubringen.
Im öffentlichen Bereich ist es eben bei solchen Stellen wie oben so nutzlos wie in Deutschland - dicke Wälzerbewerbungsmappen hin und her zu schicken. Über meine Hände sind schon hunderte von Bewerbungen gegangen. KAUM EINE Anzeige fordert irgendwelche zusätzlichen Unterlagen ausser Lebenslauf und Anschreiben, meistens in elektronischer Form. Es ist auch richtig, dass ein Prof nachweisen muss, dass er seinen Titel nicht auf dem Jahrmarkt gewonnen hat, aber hier ist es wohl eine Vertreteung und Megasparmassnahme.

#28 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 18:58
von Naali
Ab Beispiel der obigen Stellenausschreibung ist es so, dass zuerst die Stadt Mikkeli die Bewerbung bekommt. Sie ist für eine Art Vorauswahl verantwortlich. Später bekommt dann die Schule die Bewerbungen. Auch sind oft mehrere Meinungen zur Auswahl gefragt. Bei uns war es zum Beispiel so, dass zuerst die Stadt Lahti die Bewerbungen bekam und die Verantwortliche für den medizinischen Bereich (praktisch die Vorgesetzte von meiner Chefin). Sie trafen die Vorauswahl und machten sie Notizen auf ein Extrablatt. Dieses bekam dann meine Chefin und auch wir als Kollegen hatten ein Meinungsrecht. Die Bewerbungsgespräche wurden von der Vorgesetzten meiner Chefin geführt, von meiner Chefin und je einer Arbeitskollegin (3 Personen. Die Bewerbungsmappe war auch hier auf dem Tisch)
Deswegen ist die schriftlichen Form der Bewerbung hier einfacher.
#29 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 19:30
von sunny1011
Sag ich ja, Bürokratie. Aber die Effizienz von solchen Verfahren wundert mich nicht. Im Wirtschaftsarbeitsleben in Finnland vorbildlich finde, dass in erster Linie die Leistung zählt, nicht die Papiere, nicht das süsse Lächeln am Lebenslaufbild. Da können noch viele Vorgesetzten von Vorgesetzten Papiere wälzen oder der Kandidat dicke Schinken mitbringen. Im öffentlichen Bereich hat man nicht so viele finanzielle Einschränkungen wie im Privatsektor, denn Recruitment und Einstellungsverfahren verursachen erhebliche Kosten.
Zweitens, im Falle von wirklich schlechter Leistung werden in der Probezeit Konsequenzen gezogen und das Arbeitsverhältnis am Ende der Probezeit beendet, oder wenn sein muss, vom Tag zu Tag. Das ist aussagekräftiger als Zeugnisse. Passiert Gott sei dank selten, aber ich hatte schon mal so ein Früchtchen. Das war eine Geschichte für sich, was sich die Person geleistet hat 80 .
Edit: Gut finde ich auch, dass einem grundsätzlich geglaubt wird, dass man im Lebenslauf ehrlich ist und sich keine Abschlüsse und Leistungen dazureimt und die Wahrheit sagt. Erst im späteren Verfahren wird man manchmal gefragt, ob man einverstanden sei, dass die genannten Stellen überprüft werden, bzw. dann spricht man über Zeugnisse. Sehr sympatisch, aufbauend und effektiv.
#30 Re: Nachhilfe in Finnland
Verfasst: 20. Dez 2006 19:44
von Naali
Ein Foto ist in Finnland gar nicht üblich. Wir wollten damals einfach die passenste Person, das heißt aber nicht, dass nur die besten Noten zählen. Einfach durch die persönlichen Interessen, Art der Fortbildungen oder Zusatzstudiengängen.
Mit Bürokratie hat das alles auch nichts zu tun. Eher mit Mitspracherecht..der ganze Kollegenkreis durfte sich die Bewerbungen ansehen und seine Meinung schildern. Ebenso auch beim Vorstellungsgespräch dabeisein. Finde ich sehr positiv..nicht nur der Chef entscheidet.