KELA Gesundheitssystem

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Loja
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#16 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47372Beitrag Loja »

:D

Wenn die Privatversicherung die Zahnmedizin nicht berücksichtigt, gibt es dann eine extra Dentalversicherung oder läuft bei Zähnen alles auf Kela und somit auf max. 20% Rückerstattung hinaus? 80
[img]http://www.cosgan.de/images/smilie/figuren/c035.gif[/img] <span style="font-size:10pt;">Runoilija 2006 ja Pikilintu 2007</span>[img]http://smiliestation.de/smileys/Gemischt/260.gif[/img]
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sunny1011
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#17 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47371Beitrag sunny1011 »

Ich glaube Zähne sind Luxus Bild. Es gibt keine Zahnarztversicherung. Ganz selten bieten noch grosse Firmen Dentalleistungen für die Mitarbeiter an.

Bis vor ein paar Jahren hatten nur Leute, die nach 1952 (?) geboren wurden den Anspruch auf die staatl. Vorsorge. Das wurde dann 2002 oder so aufgehoben (als sie schon keine mehr hatten). Ich weiss nicht was das in der Terveyskeskuspraxis bedeutete, weil ich die weder nutze noch so alt bin ;)
Zuletzt geändert von sunny1011 am 9. Mär 2006 23:27, insgesamt 1-mal geändert.
Aus Finnen von Sinnen [auf Finndeutsch]: "Finnland verhält sich zu der Erde wie das Erde zu der Universum. Weisst du, wir sind ein bisschen weit weg von die Zentrum, und wenn du vorbeifliegst an uns, denkst du, ach, da gibt es doch nur Wasser und Wolken. Deswegen steigt auch wenige aus hier. Macht aber nix, sind ja auch ganz gut allein zurechtgekommen bis jetzt (...) Allerdings lässt sich dieser O-Ton (...) hochmutiger auslegen. (...) dass ihre Heimat der einzige Ort auf Erden ist, an dem sich wahrhaft intelligentes Leben findet (...)
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#18 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47370Beitrag Naali »

Vielleicht sollte ich zur Kela noch etwas schreiben. Die Kela ist keine Krankenversicherung im eigentlichen Sinn oder eine Art staatliche Zwangsversicherung. Sie bezahlt nicht nur Medikamente und ärztliche Versorgung (ich finde, die 20% stimmen nicht..es ist eigentlich deutlich mehr. Medikamente zahlt sie 42%, bei chronisch Kranken zu 72-100%) sondern auch Renten, Wohngeld, Arbeitslosengeld, Erziehungsgeld usw. Es ist eine Art große Sozialversicherung.
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sunny1011
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#19 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47369Beitrag sunny1011 »

Das stimmt Naali, wenn man nun den Termin bei einem öffentl. Zahnarzt und co bekommt ist die Erstattung lt. der Tabellen hoch. Man kann es nicht mit der D Krankenverischerung vergleichen. 20% ist lt. meiner persönlchen Erfahrung ein realistischer Betrag von Privatrechnungen, die ich oder mein Umfeld bisher hatte. KELA analysiert die Rechnung, legt ihre "Taksa" (den Pauschalbetrag, den sie für die ärztliche Leistung für richtig halten) zugrunde und dann rechnen sie den Eigenanteil und den Anspruch auf Erstattung aus (meistens ~60-75%) aus. Ein Rechenbeispiel, bin halt praxis- statt theorieorientiert:

Meine Fysiotherapie:

5 Sitzungen
Bezahlt 249 Euro 80 - Kela Taksa 68 Euro, die zugrunde gelegt wurde - davon erstattet 36,80 Euro.
Mager, nicht wahr?

Beim Medikamentenkauf wird der Zuschuss sofort in der Apo dazu gezahlt und dabei glaub ich spielt es keine Rolle ob es ein Terveyskeskusrezept oder Privatrezept ist (oder doch?). In Erinnerung hab ich meine letzte Medikation (Antibiotika und Nasenspray) Gesamtbetrag 43 Euro, ausgewiesener Zuschuss knapp 3 Euro. Auf 42% kam ich da nicht. Bei kleinen Käufen nur Centbeträge. Ich weiss nicht woran es liegt. Man kann allerdings Medikamente auch von Steuern absetzen. Dann ist aber die Grenze der Ausgaben zum Bruttogehalt recht hoch (= war auch in D so, 5% oder mehr??). Medikamentenpreise sind gerade in den höheren Klassen günsiger als in D (finde ich). Alltagssachen wie Nasensprays, Heuschnupfenmedikamente finde ich teurer. Ich hab noch keinen direkten Vergleich 1:1 gemacht. Viele Medikamente sind gleich bzw. parallel unter anderen Namen erhältlich. Online Versand leider nicht möglich.

Die anderen Leistungen gehören auch zu Kela, wofür gesonderte (geringe) Sozialabgaben (und Steuern) gezahlt werden (anderer Thread).

Die Rentenlage ist wohl längst noch nicht so verzwickt wie in D, aber man sollte auch vorsorgen und die privaten Versicherer decken einen mit Werbepost ein :) Ist auch sehr sinnvoll.

Das Arbeitslosengeld existiert, ist aber ein fester und recht geringer (nicht gehaltgebundener) Betrag. Eine Mitgliedschaft in einer Tarifunion wie Akava, Insinööriliitto etc. sichert ein Arbeitslosengeld von ~60% Gehalt. Dazu wurde mir von vielen Finnen geraten, es lohnt sich, man leistet einen freiwilligen Betrag von 1% Brutto/mtl. zusätzlich. Die Unionen bieten dafür eine Menge mehr: Nachlässe bei Reisen, Hotels, Benzin usw., (fast kostenlose, gute!) Schulungen, Rechtsberatung und Kündigungsschutz (und die hilft, einfach genial! :] ).

:)
Zuletzt geändert von sunny1011 am 10. Mär 2006 07:27, insgesamt 1-mal geändert.
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#20 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47368Beitrag Naali »

Was war denn das für ein Rezept? Normalerweise sind 42% Zuschuss nämlich das Minimum.
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sunny1011
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#21 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47367Beitrag sunny1011 »

@ Naali

Es war ein Rezept vom Firmenarzt (Diacor, eine private Grosspraxis, in der wir unsere Firmenbetreuung für den Allgemeinarzt und einige Spezialistenleistungen haben). Es war eine Erkältung / Nebenhöhlen und das Rezept lautete auf Antibiotika und einen Nasenspray.

Liegt es vielleicht auch daran, dass man die Ersatzprodukte (die gute alte Rathiopharm u.ä.) wählen soll, denn dafür wird gerade im Radio geworben? Oder gibt es bestimmte Zuschussklassen (etwas wird mehr oder weniger bezuschusst?).

Ich weiss zwar keine genauen Beträge um nachzuforschen, aber als mein Mann nach der OP "10 kg Schmerzmittel" verschrieben bekommen hat, war der Zuschuss unter 10 Euro für 1 x 60 Stck. Packung Panacod Pore und 3 x 30 Packung Ibuprofen 800 mg. Suuuper, ein Vorrat von 150 Schmerztabletten, die bei uns zuhause letztendlich keiner braucht, aber das wusste man halt nicht... :)

Fast die Hälfte Zuschuss hab ich noch nie am Kassenzettel feststellen können. Vielleicht mach ich was falsch ?(
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#22 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47366Beitrag Naali »

Wie gesagt, 42% ist das Minimum, bei chronisch Kranken ist es mehr. Warum du es nicht bekommen hast, kann ich leider nicht sagen ?(
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#23 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47365Beitrag sunny1011 »

Helsingin Sanomat meckert, also es liegt nicht an mir ;) .
COMMENTARY: A night at the opera with bad teeth - By Anna-Leena Pyykkönen

Dental care is something of a sore point, and not just in Helsinki.
On the Metro pages of this paper*, on February 20th, there was an article by this writer, and an accompanying commentary piece, about the long lines for the dental treatment provided by the City of Helsinki. It struck a chord, and feedback aplenty came in, from places as far afield as Northern Karelia and even Australia.
There were a number of counter-claims to the commentary, which wrote about how the Helsinki residents are being shafted, and about resigned, submissive patients who do not even try to get treatment in the public sector.

A dentist from a town close to the eastern border wrote in to say "Shame on you, Helsingians!"
"Helsinki has many good things, and it also has the Opera, theatres, orchestras, government offices, and corporate headquarters. What more should there be? About the only thing that seems to be missing [from the city] is a sense of contentment. I suppose in the name of equality that really ought to be shared out equally across the country. But it certainly doesn't fit in the capital."

The writer would seem to believe that people in the Greater Helsinki area should not demand comprehensive municipal health services, because there is an abundance of private-sector medicine to be had, and people have the money to pay for it out of their own pocket.
Without belittling the rural impoverished in the least, I would point out that well-being is not exactly evenly shared out even here. There are at least enough poor people in Helsinki to populate a few small provincial towns. There are as many unemployed persons in Helsinki as there are residents of Savonlinna. Besides which, there is no paragraph in the law-books that decrees that municipal dental care should be provided only to those who live in remote areas.

The dentist reminds us of the many and varied cultural services enjoyed by residents of the capital, which are not available to those living out on the nation's peripheries. However, bread and circuses do not help much with the toothache, though arguably they might cheer up our mental health. Then again, the seriously marginalised who might need that are seldom seen at the National Opera.
Let us imagine for a moment that a Helsinki citizen might choose whether to take state or municipal subsidies in the form of artistic pleasures or by going to get their teeth seen to.
Last year, the society provided funding of EUR 123.00 for each opera ticket sold, with EUR 15.00 of this coming in the form of support from neighbouring communities. At the same time, the City of Helsinki made available an average of EUR 75.00 to support each visit to the dentist.
If I could choose, I would prefer to take a voucher for the dentist rather than for a night at the the opera, but it is a matter of taste. Quite the nicest state of affairs, naturally, would be to be able to get to see the opera inexpensively and with a decent set of teeth.

Some feisty feedback came from one doctor in the private sector after I claimed that the woman next door had managed some time ago to get her tooth fixed up "for a few tens of euros". What I should have written, in the doctor's view, was that municipal dental care costs the patient half as much as if one goes private.
It is perfectly true that one cannot get one's entire set of pearly-whites sorted out for twenty euros, but you can get a filling done for that money: the price is EUR 18-29.

Where the respondents were unanimous was in saying that the entire dental health system is on its uppers and does not represent what the original aims for it were.
One social critic from back in the sixties rang up and said that dental care is an example of the amateurish fiddlings of a degenerate municipal bureaucracy. The politicians eat out of their hand and protect their positions. Even the media, he claimed, are toothless and do not bellow loudly enough or long enough about the injustices they observe.

*Note: the original articles referred to were not included in the International Edition's selection of stories on February 20th. The main article pointed to the current situation in Helsinki, where the waiting-times for non-urgent dental care, as provided by the city, have stretched to roughly a year or more(!!!). Some 9,000 people are in the queue. Treatment for acute problems does not face the same problems.
http://www.hs.fi/english/article/COMMEN ... 5219056669
Zuletzt geändert von sunny1011 am 12. Mär 2006 22:39, insgesamt 1-mal geändert.
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#24 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47364Beitrag Naali »

Hier ein Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung, der das finnische Gesundheitssystem recht gut erklärt.


Ein Gesundheitssystem, das mehr kann, als Menschen gegen die Kälte abzuhärten

Finnland hat, wovon viele Länder träumen: ein kostengünstiges und qualitativ gutes Gesundheitswesen. Es ist staatlich organisiert, wird föderalistisch umgesetzt und über Steuern statt Prämien finanziert - fast wie das Schweizer Schulsystem. Die freie Arztwahl gibt es im finnischen Gesundheitssystem so wenig wie die freie Lehrerwahl an Schweizer Schulen. Und die meisten finnischen Ärzte heilen im Monatslohn. Von Larissa Bieler



Die Türe öffnet automatisch, ein Blick zum Boden, und man findet sich zurecht: Fünf farbige Streifen führen den Besucher durch die Gänge des Gesundheitszentrums Samaria in Espoo, der zweitgrössten Stadt Finnlands. Sie liegt dreissig Bahn-Minuten westlich von Helsinki. Die rote Linie führt zur Notfallabteilung, die schwarze die Treppe hinunter zu den Röntgengeräten und die weisse hinauf zum Blutlabor.

Die Hauptlinien sind grün und gelb, sie führen die Patienten direkt zu den Sesseln vor den Zimmern der Ärzte und Krankenschwestern. «Für einen Montagmorgen ist es heute ruhig», sagt die Chef-Krankenschwester Hanna-Mari Tanninen fast entschuldigend. Es sind sechs Patienten da, vor allem ältere, sie sitzen regungslos auf ihren Stühlen, ein Mädchen spielt mit Klötzchen. Wartezimmer-Atmosphäre.
Staatliche Zentren
Wer sich in Finnland einen Knöchel verstaucht, einen Ausschlag bekommt, Diabetes hat oder Probleme mit dem Kreislauf, wer eine Platzwunde nähen oder seine Magenbeschwerden behandeln lassen muss, kommt erst einmal hierher, in eines der 280 Gesundheitszentren des Landes. Hier haben die Finnen in der Regel ihren Hausarzt, im Samira in Espoo betreuen 16 Teams aus je einem Arzt und einer Krankenschwester über 30 000 Patienten. Jedem Team sind rund 2000 Personen zugewiesen. Freie Arztwahl gibt es nicht. Die Einwohner von Espoo werden nach Region, das heisst nach Strasse und Hausnummer, einem Arzt und einer Krankenschwester zugeteilt.

«Hei!» Eine Frau im Rollstuhl winkt, sie dürfte gegen die 80 gehen, ihr Haar ist grau, sie wirkt steif und hebt den Arm nur mit Mühe - doch die Augen funkeln. Kirsi Koljonen, die Chefärztin des Hauses, geht auf die Dame zu - es folgt eine herzliche Umarmung. Die Frau war eine Patientin von Kirsi Koljonen, und sie vermisst ihre Ärztin, seit diese vor einiger Zeit zur Chefärztin aufgestiegen ist und keine Patienten mehr betreut. Patienten können mit einem Arzt also auch zufrieden sein, wenn sie diesen nicht selber gewählt haben. Doch was geschieht, wenn Patient und Arzt sich gar nicht verstehen? Das könne vorkommen, sagt Chef- Krankenschwester Hanna-Mari Tanninen. Der Patient wird dann einem anderen Arzt zugewiesen, sofern es nicht anders geht.



Spitzenreiter Finnland
Das finnische Gesundheitssystem gilt weltweit als Beispiel für tiefe Kosten und gute Qualität. Pro Kopf gaben die Finnen im Jahr 2002 laut einer Statistik der Weltgesundheitsorganisation nicht einmal 2000 US-Dollar für die Gesundheit aus. Das liegt fast 200 Dollar unter dem EU-Durchschnitt und 1500 Dollar unter jenem der Schweiz. Diese wurde weltweit nur von den USA übertroffen (5600 Dollar pro Kopf).

Mehr als zehn Milliarden Euro fliessen in Finnland jährlich in das Gesundheitswesen, das sind 7,3 Prozent (Jahr 2002) des Bruttoinlandprodukts. Auch diese Grösse liegt einiges unter dem EU-Durchschnitt von 8,7 Prozent. Finnland wird bezüglich des Anteils der Gesundheitskosten an der Gesamtwirtschaft in Westeuropa nur von der Türkei, Zypern und Luxemburg unterboten. Weltweit an der Spitze der Skala rangieren auch hier die USA (15 Prozent) und die Schweiz (11,2 Prozent).

Ein Grund für die tiefen Kosten in Finnland liegt in
der geringen Bettenzahl in Akutspitälern: Mit einem Anteil von 2,3 Betten pro 1000 Einwohner hat Finnland zusammen mit Schweden in der EU die Nase vorn. Hinzu kommt, dass die Patienten in Finnland im Durchschnitt 4,3 Tage pro Behandlung im Spital bleiben, das sind 2,6 Tage weniger als im EU-Durchschnitt.

Seinen Ruf verdankt das finnische Gesundheitswesen aber nicht nur den tiefen Kosten - sondern der Tatsache, dass es trotzdem hohe Qualität bietet. Seit Jahren gehört das Land weltweit zu jenen Staaten mit der geringsten Säuglings-Sterblichkeitsrate, einem Indikator für den Zustand eines Gesundheitssystems. Bei 1000 Lebendgeburten ereignen sich in Finnland 3 Todesfälle (Jahr 2002), in der Schweiz sind es 4,5, in den USA 7. Und: Sieben von zehn Finnen sind zufrieden mit ihrem Gesundheitswesen - auch das ist ein Spitzenwert. Im EU-Durchschnitt ist nicht einmal jeder Zweite zufrieden mit dem Gesundheitswesen seines Landes, wie der Eurobarometer im Jahr 2002 zeigte. Doch worin genau besteht die Wundermedizin der Finnen? Was macht dieses 5,2-Millionen-Volk besser als andere? «Der grösste Vorteil ist das staatliche System», sagt Ilmo Keskimäki vom nationalen Forschungs- und Entwicklungszentrum für Wohlfahrt und Gesundheit in Helsinki. Staatlich bedeutet, dass in Finnland das Gesundheitssystem so organisiert ist wie in vielen anderen Ländern die öffentliche Schule: Der Zugang ist für alle Einwohner frei, das Angebot wird zum grössten Teil über Steuergelder finanziert und vom Staat garantiert oder mindestens reglementiert.

Im Gegensatz zu ihren Schweizer Kollegen werden die finnischen Ärzte also nicht nach Leistung bezahlt, sondern sie erhalten - sofern sie bei der öffentlichen Hand angestellt sind - einen festen Lohn. «Deshalb ist das Risiko für eine Kostenexplosion klein», sagt Ilmo Keskimäki. Der Löwenanteil der Gesundheitskosten bestehe aus Lohnkosten. Weil der Lohn aber nicht von der Leistung abhänge, fehle der Anreiz zur Mengenausdehnung.

Das Einkommen der finnischen Ärzte erscheint vergleichsweise gering: In leitender Position erhält ein Arzt einen Monatslohn von umgerechnet zwischen 7500 und 8300 Franken, die übrigen Ärzte erzielen ein Einkommen von 6200 bis 7000 Franken. Sonderzahlungen gibt es für besondere Einsätze, zum Beispiel für Pikettdienst.

Doch mit dem staatlichen System allein lässt sich der Erfolg des finnischen Gesundheitswesens nicht erklären. Dieses funktioniert so gut, weil es föderalistisch umgesetzt wird. «Unser Gesundheitswesen ist lokal stark verankert», sagt Keskimäki. Helsinki gibt zwar den Takt vor, doch die Richtlinien werden von den rund 450 Gemeinden umgesetzt. Sie sind verantwortlich für die drei Kernpunkte des finnischen Gesundheitssystems: 280 Gesundheitszentren, 245 überkommunale Spitäler sowie 20 Bezirke, die gemeinsam 54 Spitäler betreiben, 5 davon sind Universitätsspitäler. Verantwortlich für diese Institutionen sind Gesundheitskommissionen, die vom Volk gewählt werden. Finanziert wird das System zu 70 Prozent von den Gemeinden. Den Rest steuert das Gesundheitsministerium in Helsinki bei, das seinen Beitrag von der Bevölkerungszahl, der Altersstruktur, der Morbidität, der Bevölkerungsdichte und der Finanzkraft einer Gemeinde abhängig macht.

Die Basis des finnischen Gesundheitswesen sind die Gesundheitszentren, wie das Samaria in Espoo. Unter einem Dach werden dort ambulante medizinische Grundversorgung, Zahnarzt, Physiotherapie, psychiatrische Betreuung und Unfallversorgung sowie Rettungsdienst angeboten. Nicht im Angebot sind Alternativmediziner, deren Leistung vom Staat auch nicht vergütet wird.
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Naali
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#25 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47363Beitrag Naali »

Freiraum der Gemeinden
Die Gemeindezentren nehmen zudem eine Schlüsselfunktion ein, um unnötige Behandlungen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden: Sie entscheiden, wann ein Patient an ein Spital oder einen Spezialisten, die oft an einer Klinik angestellt sind, überwiesen wird. Zudem sind die Gesundheitszentren ein Spiegel der finnischen Gesundheitspolitik: Das System ist nicht nur darauf ausgerichtet, Kranke zu heilen, sondern es soll die Finninnen und Finnen auch gesund halten. Für die Prävention gibt das Land einen beachtlichen Teil der Gesundheitskosten aus. Im Alltag funktioniert dies wie am Schnürchen: Die Mitarbeiter der Gemeindezentren beraten die Leute in allgemeinen Gesundheitsfragen, sie besuchen Schulklassen, klären junge Menschen über Sexualität und mögliche Krankheiten auf, unterstützen alte Menschen, wenn sie nach einem Spitalaufenthalt Betreuung brauchen, und beraten Schwangere und Mütter.

Das Ergebnis kann sich offenbar sehen lassen. «Die Finnen sind so gesund wie nie zuvor», sagt Kati Myllymäki vom Gesundheitsministerium in Helsinki. Die Prävention habe mitgeholfen, die Zahl der Herzerkrankungen und der Patienten mit zu hohem Blutdruck zu senken - und die Lebenserwartung der Finnen zu steigern.

Der Staat wacht mit Argusaugen darüber, dass die Gemeinden die Richtlinien erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass das medizinische Personal stets auf dem neusten Wissensstand sein sollte: So muss sich ein Arzt zehn Tage im Jahr weiterbilden. Trotz staatlichem Korsett haben die Gemeinden erstaunlich viel Freiraum. Sie können entscheiden, ob sie die Gesundheitszentren selber führen oder Leistungen zukaufen wollen. Ganz neue Wege eingeschlagen hat zum Beispiel Lahti. Die Gemeinde hat die Gesundheitsvorsorge kurzerhand an Private ausgemietet.

Kleinere Gemeinden auf dem Land, wo es schwieriger geworden ist, Ärzte zu finden, kaufen derweil Leistungen bei anderen Gesundheitszentren ein oder beschäftigen Mediziner auf Honorarbasis, zum Beispiel für einen Tag in der Woche. Einige sind besonders erfinderisch geworden. Um die räumliche Distanz zum Spezialisten zu überwinden, arbeiten sie intensiv mit neuen Computertechnologien. Hat ein Patient zum Beispiel einen Hautausschlag, schicken sie ihn nicht zum Dermatologen, sondern übermitteln elektronisch die Patientenakte samt Fotos der Krankheit. Aufgrund der Ferndiagnose des Spezialisten kann der Patient dann in der Gemeinde behandelt werden. Der Computer hat im finnischen Gesundheitswesen ohnehin einen wichtigen Stellenwert erlangt. Die Patientendaten werden elektronisch erfasst, was die Überweisung eines Patienten in ein Spital oder zum Spezialisten erleichtert und Doppelspurigkeiten vermeidet.

Selber Blutdruck messen
Die Gesundheitszentren in den Städten folgen derweil eher dem klassischen Muster: Sie stellen die Allgemeinärzte, manchmal auch Fachärzte, Krankenschwestern, Zahnärzte, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Psychologen und Verwaltungspersonal selber ein. Doch auch hier lässt sich Inspirierendes finden: Das Zentrum Samaria in Espoo hat auf die hohe Zahl von Diabetikern im Ort mit einer auf die Krankheit spezialisierten Schwester reagiert. Für Patienten mit zu hohem Blutdruck stehen Messinstrumente zur Selbstbedienung bereit - darauf «bin ich besonders stolz», sagt Chef-Krankenschwester Hanna-Mari Tanninen.

Das Gesundheitswesen in Finnland beschäftigt rund 150 000 Personen. Doch nicht alle arbeiten für den Staat. Jeder Fünfte ist im privaten Sektor tätig, vor allem als Physiotherapeut und Arzt sowie als Fachpersonal bei einem Laboratorium oder einer Firma, die vom Staat zur berufsbezogenen Gesundheitsförderung in die Pflicht genommen wurden. Insgesamt fallen im privaten Sektor rund 14 Prozent der gesamten Gesundheitskosten an.

Von den 17 000 arbeitenden finnischen Ärzten betreiben fast 6000 vorwiegend nebenberuflich eine eigene Praxis. Ihre Arbeit wird nach Einzelleistung und einem vorgegebenen Tarif abgerechnet. Doch die Hürden sind hoch, sich privat behandeln zu lassen: Zwei Drittel der Kosten muss der Patient selber berappen. Der Rest wird von der staatlichen Krankenversicherung vergütet, die zu einem grossen Teil von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt wird.

In privater Hand sind in Finnland die Apotheken. Nur sie dürfen Arzneimittel verkaufen. Doch um eine Apotheke betreiben zu können, benötigt man eine Lizenz vom Staat. Und dieser vergibt diese nur nach Bedarf. Derzeit gibt es in Finnland rund 800 Apotheken. Im Jahr 2003 hat die nationale Krankenkasse Medikamente im Wert von über 1,4 Milliarden Euro vergütet - nochmals etwa den gleichen Betrag haben die Patienten selber für Arzneimittel bezahlt. Überhaupt ist der Zutritt zum finnischen Gesundheitswesen - ausser zur Prävention - nicht ganz kostenlos. Die ersten drei Behandlungen pro Jahr in einem der Zentren kosten je elf Euro.

Sieben von zehn Finnen sind zufrieden mit ihrem Gesundheitswesen - auch das ist ein Spitzenwert.
Zuletzt geändert von Naali am 13. Mär 2006 15:51, insgesamt 1-mal geändert.
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#26 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47362Beitrag sunny1011 »

Beeindruckt teste ich nun die praktische Seite :]

Eckdaten:
Anruf bei Porvoo Terveyskeskus 14. März A.D. 2006 - 7:50 Uhr
Warteschlange am Telefon: 35 Minuten
Grösse der Gemeinde: 45.000 Einwohner
Etwaiger Termin (kein konkretes Datum): Herbst

Der Countdown läuft Bild ... Bild
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#27 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47361Beitrag Naali »

Wegen was war denn das?
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#28 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47360Beitrag sunny1011 »

Wegen meiner Zähne :D . Jetzt spare ich mal und nehme die Vorteile in Anspruch. Ich wollte zur Suuhygienisti ~Zahnarzthelferin zwecks Zahnsteinentfernung. Das geht aber nicht ohne eine Arztvisite und das dauert, s.o.
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#29 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47359Beitrag sunny1011 »

Big Differences in Dentist Fees

Private dentist fees vary significantly in Finland. For instance, the removal of a wisdom tooth can cost from 130 euros to 500 euros.

Dentists are able to determine prices themselves, resulting in the differing costs. Procedures are most expensive in the capital region, in part due to the higher rent costs.

The Social Insurance Institution of Finland (KELA) will reimburse 60 percent of the cost for certain private dental care procedures (60% of the KELA "rate" which is far less than the private invoice. The "rate" was defined sometime back in the 80s). Thousands of people use private dental care to avoid the often long wait for a public dentist.

The information is based on a poll by the Finnish News Agency. Fifteen dental clinics took part in the poll.
YLE24
OECD says queues and inequality are problems in Finnish healthcare

7.12.2005 at 11:26

Although the Finnish healthcare system still copes well internationally, the Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) identifies the rising costs of medication, long queues and staff shortages as problems.

Moreover, an OECD report on the Finnish healthcare system says working people tend to get fast-track and free access to healthcare whereas less financially secure Finns are forced to queue and pay health centre fees.

While the share of gross domestic product (GDP) spent by Finland on healthcare is lower than the OECD average, Finns are generally happier with the state of the country's healthcare system than the people of other OECD member countries are with theirs.

The last time the OECD appraised the Finnish healthcare system was seven years ago.
STT
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#30 Re: KELA Gesundheitssystem

Beitrag: # 47358Beitrag sunny1011 »

Ich war heute meine Freundin besuchen. Sie liegt bereits drei Wochen mit einem Knie- und Schienbeinbruch als Privatpatientin (Arbeitsunfall) in einem Zimmer mit sieben anderen (!) Personen. Nach sechs OPs ist nun auch Aussicht auf Erfolg. Zwei OPs waren schlichtweg Kunstfehler (kann passieren).

Immerhin bekommt sie besondere, moderne Geräte, die den Heilungsprozess beschleunigen sollen (weil die Privatversicherung die Leistung fordert). Sogar nach der Entlassung nach Hause (in etwa 1-2 Wochen).

Das Krankenhaus selbst war wie eine Reise zurück in die 70er Jahre :rolleyes:
Zuletzt geändert von sunny1011 am 20. Mär 2006 20:54, insgesamt 1-mal geändert.
Aus Finnen von Sinnen [auf Finndeutsch]: "Finnland verhält sich zu der Erde wie das Erde zu der Universum. Weisst du, wir sind ein bisschen weit weg von die Zentrum, und wenn du vorbeifliegst an uns, denkst du, ach, da gibt es doch nur Wasser und Wolken. Deswegen steigt auch wenige aus hier. Macht aber nix, sind ja auch ganz gut allein zurechtgekommen bis jetzt (...) Allerdings lässt sich dieser O-Ton (...) hochmutiger auslegen. (...) dass ihre Heimat der einzige Ort auf Erden ist, an dem sich wahrhaft intelligentes Leben findet (...)
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