Bikulturelles Familienleben

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Naali
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#1 Bikulturelles Familienleben

Beitrag von Naali »

Da ich (Jahrgang 1978) selber aus einer bikulturell finnisch-deutschen Familie stamme und auch mein Freund ein "Halb-Halber" (Schweiz/Finnland) ist, interessieren mich natürlich Eure Erfahrungen im Familienleben zwischen oder mit zwei Ländern.

Gerade das Aufwachsen mit zwei Kulturen, Sprachen und Ansichten finde ich ein großes Geschenk und ich möchte es nicht missen. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, wohne aber mittlerweile schon jahrelang in Finnland. Damals als Kind haben meine Eltern sehr darauf geachtet, dass man von beiden Kulturen etwas mitbekommt. Allerdings ging es zu Hause eher in die finnische Richtung, dafür dann aber "draußen" eher deutsch.
Die Erziehung war zweisprachig und bis zu einem Alter von ca. 7-8 Jahren sprach ich auch beide Sprachen willig und oft :D Später wendete sich das Blatt jedoch und Deutsch wurde immer mehr zur starken Sprache. Diese Sprache wurde einfach in Schule,Hobby und Alltag gebraucht und meine Mutter (Finnin) sprach ja auch gut Deutsch. So wurde immer mehr auf die finnischsprachigen Fragen meiner Mutter auf Deutsch geantwortet. Dieses Phänomen kommt komischerweise oft vor und bei vielen bikulturellen Familien kommt so nach und nach eine Sprache ins Hintertreffen. Das geht auch oft automatisch, weil die Sprache des Landes sich durch Schule und Ausbildung weiterentwickelt und die andere Sprache bleibt auf einem (Familienalltags-) Niveau.

Weitere 8 Jahre später änderte es sich aber wieder und ich sprach wieder mehr Finnisch.

Nach Finnland (und später umgekehrt nach Deutschland) fuhren wir ein- bis zweimal im Jahr mehrere Wochen um Verwandte zu besuchen.

Staatsangehörigkeiten habe ich sowie auch mein Freund beide und dies war und ist mir auch persönlich sehr wichtig. Ich fühle mich als beides und sehe die doppelte Staatsangehörigkeit auch etwas als Bestätigung dafür.

Jetzt lebe ich ja schon trikulturell und eigentlich kann ich mir ein Leben nur mit "einem Land" gar nicht vorstellen. Bikulturelles Leben öffnet Horizonte, ist wahnsinnig vielseitig und nie langweilig.
In meiner Schwiegerfamilie geht es ziemlich bunt zu..denn sie hat nicht nur finnischen und schweizer Hintergrund sondern durch angeheiratete Familienmitglieder auch südamerikanischen. Das Leben dort ist bunt wie ein Regenbogen. Jeder gibt etwas und bekommt viel dazu.
Oft wurde ich gefragt, als was ich mich denn fühlen würde und für welches Land ich mich entscheide. Aber warum denn? Man muss sich nicht für ein Land, eine Sprache oder eine Kultur entscheiden. Man kann mit und durch zwei Kulturen leben und das sehr gut. Denn dieses Leben besteht nicht aus Kasten, in denen man sich einordnen muss.

Ich kann übrigens das Buch "Binational? Genial!" Von Christian Urech, Isabelle Schiess und Valentin Stucki wärmstens empfehlen. Es ist im schweizer Orell Füssli Verlag erschienen (ISBN 3-7152-1051-6)

Ebenfalls das Buch "Zweiheimisch" von Cornelia Spohn (Hrsg). Zwölf Menschen mit bikulturellen Hintergrund (sei es als Migranten in Deutschland oder als Kinder binationaler Eltern) erzählen aus ihrem Leben.
Edition Körber-Stifung, ISBN 978-3-89684-063-9
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