Gefunden auf der Spiegel-Seite
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DESIGN-IKONE EERO AARNIO
Plastikschreiner mit Pop-Vision
Von Johannes Gernert
In seinen knallbunten Sesseln saßen Geheimagenten und Supermodels. Manche der Möbel, die der Finne Eero Aarnio entworfen hat, können sogar schwimmen. Eine Ausstellung in Berlin zeigt jetzt sein Lebenswerk - und bietet reichlich Gelegenheit zum Abhängen.
Eero Aarnio rutscht auf dieser cremefarbenen, ziemlich rechteckigen Bank hin und her. Keine Lehne, das ist wirklich nicht sehr bequem. Er schaut nach vorne, ein paar Meter weiter bei der Garderobe schaukelt jemand entspannt in einem von Aarnios durchsichtigen Sesseln, die hängen dort von der Decke. Und oben, im ersten Stock des Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin, stehen noch viel mehr Sachen des finnischen Möbeldesigners. Also lacht Aarnio jetzt, was soll er sich über das unpraktische Ding ärgern, er lacht immer lauter, der Meister des Bequemen, des Runden, Ewigen auf dieser eckigen Bank. Irgendwie ist das heute mal wieder sein Tag.
Schon zum sechsten Mal wird die Ausstellung der Kunsthalle Helsinki eröffnet, die sein Lebenswerk zeigt. Nach Oslo, Kopenhagen, Washington und Mexiko City ist sie in Berlin angekommen. Und damit in Deutschland, wo alles anfing. Auf einer Messe in Köln wurde 1966 Eero Aarnios "Ball Chair" vorgestellt, der Kugelsessel. Ein Sessel aus Glasfaser, der vor allem rund war, erschwinglich, der in knalligen Lego-Farben leuchtete und aussah wie ein Kunstwerk, nicht wie ein Sitzmöbel.
Der "Ball Chair" war Zukunft. Deshalb stand er bald nicht nur in etlichen Wohnzimmern, sondern auch in Science-Fiction-Filmkulissen. Agenten in Thrillern setzten sich in den folgenden Jahrzehnten genauso hinein wie nackte und halbnackte Magazintitel-Schönheiten. Es gab zwischenzeitlich einen kurzen Verkaufseinbruch, weil die Ölkrise das Material verteuerte. Längst allerdings ist der "Ball Chair" zurück. Er ist immer noch Zukunft oder, besser gesagt, wieder. Avatare im Online-Universum Secondlife sitzen darin.
"Ich hasse Computer", sagt Eero Aarnio, rutscht auf der eckigen Bank herum und lacht, dass es schallt. Aarnio ist jetzt 75 Jahre alt, hat einen ziemlichen Bauch und recht lange graue Haare. Er zeichnet seine Entwürfe nach wie vor auf große Papierbögen, mit ausholenden Bewegungen. Danach werden sie in den Rechner übertragen, dann in die Fabrik. Vor zwei Tagen erst kam eine Tischlampe aus Italien, wo die Gegenstände angefertigt werden, in der Nordischen Botschaft an, "The Swan", geschwungen wie ein Schwanenhals.
Nach dem "Ball Chair" hatte Aarnio "Pastil" entworfen, einen pillenförmigen Sessel, dann "Bubble", den durchsichtigen, runden, der von der Decke hängt, schließlich "Double-Bubble", die Leuchtblasenlampen. Einige seiner Sessel können schwimmen. Er hat das zufällig herausgefunden. Aber es passte zu dieser Leichtigkeit, mit der auch sein Kugelsitz schwebte. Viel eleganter als die schweren Sofas der Nachkriegswohnzimmer. Er spiele beim Entwerfen wie ein Kind, sagt er.
Als nächstes will er eine Armbanduhr machen. Da sind so viele Einfälle. Vor der Ausstellungseröffnung fragt ihn jemand, wo er die alle hernimmt, da lacht Aarnio mal nicht, so eine dämliche Frage. "Ich habe da so eine Schublade zu Hause, die ziehe ich jeden Morgen auf, da ist dann eine Idee drin", sagt er. Er redet nicht gerne darüber, er schafft lieber. Wie ist Ihr Verhältnis zum Modernismus? "Ich würde mal vermuten ich bin ein Teil davon." Punkt.
Wenn er nicht diesen dunklen Anzug anhätte, sondern einen Blaumann mit Farbklecksen, ginge er auch als Handwerker durch. Den ersten "Ball Chair" hat er tatsächlich am Wochenende in irgendeinem Schulgebäude zusammengezimmert, mit Hilfe einer Sperrholzkonstruktion, mit viel Toilettenpapier und Kleister, weil er dachte, den Unfug nimmt ihm keine Möbelfabrik ab. Er fühlt sich eher geschmeichelt als beleidigt, wenn ihn jemand Handwerker nennt. Vielleicht ist Eero Aarnio nicht so sehr Designer, sondern eher Plastikschreiner. Ein Mann mit bodenständigen Visionen.
Es sind die Gegensätze, die seine Entwürfe so beliebt machen, sagt Silke Claus vom Internationalen Design Zentrum Berlin, in einer kurzen Eröffnungsansprache. Er vermittle zwischen der Arbeitswelt auf der einen und Spiel und Spaß auf der anderen Seite. Seine Sessel wirken steril, streng, sind aber irgendwie gemütlich. Sie zwingen die Leute förmlich in eine entspannte Haltung.
Fortsetzung folgt ...
Hinter einem denglisch-babylonischen Sprachgewirr kann man sich wunderbar verstecken, Wissenslücken vertuschen und Kompetenz vorgaukeln.