Meine kleinen Erfahrungen

Feste, Sitten, Gebräuche und Religion Finnlands

Moderatoren: Peter, Sapmi

Antworten
Spreekind
Landkartengucker
Beiträge: 5
Registriert: 29. Jan 2022 17:34
Danksagung erhalten: 2 Mal

#1 Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von Spreekind »

Ich bin Rentnerin und habe in den 90ern für zwei Finnische Unternehmen gearbeitet, war auch geschäftlich in Helsinki, Jyväskylä, Tampere und Turku.

Meine Chefs und Kollegen dort sprachen sehr gut Deutsch und Englisch, so daß ich kein Finnisch kann.

Nun habe ich Zeit meine Ahnenforschung weiter zu entwickeln und DNA Tests gemacht. Darin taucht eine feste und große Gruppe Finnen auf und zwar mehrheitlich in der Region, in der ich damals dessen unwissend gewesen bin.

Leider haben die Personen kein Interesse an einem Austausch und der Match ist auch recht weit zurück. Ich kann das also verstehen.

Im 17. Jahrhundert waren durch die Schweden einige Deutsche im Militär auf der Burg von Turku und Umgebung ansäßig. Das fand ich schon recht spannend. Es heißt natürlich nicht, dass dies auch mein Hintergrund wäre.

Inzwischen habe ich von sehr vielen Leuten vernommen, dass sie sich über finnische „Verwandte“ wundern.

Die Art und Einstellung der Finnen zu allem gefiel mir sehr, leider war es immer schwierig, weil ich weder Fisch esse, noch die Sauna vertrage 😊.
Spreekind
Landkartengucker
Beiträge: 5
Registriert: 29. Jan 2022 17:34
Danksagung erhalten: 2 Mal

#2 Meine kleinen Erfahrungen - Historische Person

Beitrag von Spreekind »

Hier wird auf eine sehr interessante historische Figur hingewiesen. Sie soll aus Sachsen gekommen sein, wobei wohl eher Niedersachsen gemeint ist, und taucht im Stammbaum eines DNA Verwandten auf:

https://www.geni.com/people/Johann-Gard ... 8222657864

http://runeberg.org/frfinl/0145.html

https://www.finna.fi/Record/musketti.M012:H3510:35
Benutzeravatar
André
Moltebeeren Tester
Beiträge: 461
Registriert: 1. Mai 2015 20:51
Hat sich bedankt: 159 Mal
Danksagung erhalten: 23 Mal
Kontaktdaten:

#3 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von André »

Da habe ich doch mal nachgucken wollen. Johann "Hans" Gardiermeister ist demnach in Deutschland geboren und hat eine Karierre im schwedischen Militär auf finnischem Boden hingelegt. Er war dann wohl an den Kampfhandlungen im Zweiten Nordischen Krieg beteiligt. Zwischen 1656 und 1658 sind russische Truppen in Karelien, Ingermanland und Livland eingefallen um sich den Ostseezugang zu sichern. Dieser Teil des Zweiten Nordischen Krieges heißt auf finnisch "Ruptuurisota" auf deutsch Russisch-Schwedischer Krieg. Ungewöhnlich ist, dass er seine Karriere in Finnland in der letzten Hälfte des 30-jährigen Krieges begonnen hat. Zu dieser Zeit waren nur sehr wenige Truppen in Finnland stationiert. Finnland gehörte zu Schweden und letztere kämpften mit allen verfügbaren Mann und Mitteln in Mitteleuropa. Laut dem Geschichtsbuch "Finnland" von Ingrid Bohn aus dem Pustet-Verlag, Seite 130, waren 1656 gerade mal 2000 Mann in Finnland stationiert. Die finnische Bevölkerung litt sehr unter den schwedischen Kriegshandlungen während des 30-jährigen Krieges, da viele Männer zwangsrekrutiert wurden und die Steuern ins Unerträgliche erhöht wurden. Auch Hungersnöte, Aufstände und Seuchen gab es zu der Zeit. Gute Zeiten waren das damals in ganz Europa nicht.
Spreekind
Landkartengucker
Beiträge: 5
Registriert: 29. Jan 2022 17:34
Danksagung erhalten: 2 Mal

#4 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von Spreekind »

Schön, dass dich das Thema interessiert. Deine Ergänzungen sind sehr wertvoll.

Wir wissen noch nicht, wie genau er zu dieser Stellung gekommen ist, jedoch ist der untere Link wohl passend:

https://www.lwl.org/westfaelische-gesch ... =tab_texte

Eine andere Meinung war noch in Zusammenhang mit den "Hakkapeliitta", die auch eine Position um Turku hatten und damals u.a. in Deutschland kämpften. (Ist wohl ein Sammelbegriff für Finnen, Lappen und Finnlanddeutsche im schwedischen Heer. )
Benutzeravatar
Tenhola
Kela Überlebender
Beiträge: 2632
Registriert: 2. Sep 2007 14:58
Wohnort: 13100 Finnland
Hat sich bedankt: 8 Mal
Danksagung erhalten: 54 Mal

#5 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von Tenhola »

Hakkapeliitta = Berittene finnische Soldaten
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hakkapeliitta
Benutzeravatar
André
Moltebeeren Tester
Beiträge: 461
Registriert: 1. Mai 2015 20:51
Hat sich bedankt: 159 Mal
Danksagung erhalten: 23 Mal
Kontaktdaten:

#6 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von André »

Ich fasse mal zusammen, was über Hans Gardiemeister bekannt ist, gemäß der Links, die Du uns geschickt hast.

Er hat von 1635 bis 1650 im Regiment von Anton Georg von Reich gedient. Ab 1640 als Feldwebel, ab 1643 als Fänrich, ab 1645 als Leutnant, ab 1650 als Kaptitänleutnant. Bis 1653 hat er zivile Stellen in der Verwaltung begleitet. Ab 1653 ist er im Regiment von Herman von Cappel als Kapitän, ab 1657 im Regiment von Hans Fersens erwähnt. Die letzte Erwähnung in militärischen Diensten datiert auf 1668.

Der 30-Jährige Krieg endete 1645. Zu der Zeit war er im Regiment von Anton Georg von Reich. Dabei handelte es sich um ein Infanterieregiment, also Fußsoldaten. Die Hakkapeliten waren ein schwedisches Kavallerieregiment (Reiterregiment) mit bis zu 5000 Mann, welches in den großen Schlachten und zur Landannektierung von schwedischer Seite im 30-jährigen Krieg eingesetzt wurden. Gardiemeister kann damit nicht unter Torsten Stålhandske, dem General der Hakkapeliten gedient haben. Ich habe zuhause ausführliche Literatur über den 30-jährigen Krieg, der schon immer zu einem meiner geschichtlichen Hauptinteressensgebiete gehört hat. Georg von Reich wird nirgendwo erwähnt. Womöglich wurde er mit dem Infanterieregiment in Mitteleuropa bis 1645 eingesetzt, wahrscheinlicher scheint mir aus dem Erzählfluss, dass es sich um ein Regiment zur Landesverteidigung in Südfinnland handelte. Erfolgversprechend wäre über finnische Bibliotheken oder militärische Fachliteratur nach den Vorgesetzten Gardiemeisters zu forschen: Anton Georg von Reich, Herman von Cappel(n), Hans Fersens und Philip Sasse. Wenn man weiß, wo diese Regimenter stationiert waren und in welche Aktivitäten oder Bewegungen sie involviert waren, dann kann man Rückschlüsse darauf ziehen, wo Gardiermeister zu der Zeit stationiert war.

Wenn diese Regimenter, was ich vermute, in Finnland stationiert waren (wieso sollte er sonst eine Verwaltungsstelle Anfang der 1650er Jahre dort erhalten, außerdem weisen etliche Ortsnamensnennungen darauf hin), dann war er jedoch höchstwahrscheinlich in die kriegerischen Handlungen des Zweiten Nordischen Krieges involviert, welche ich oben erwähnt habe. Den Großen Nordischen Krieg ab 1700 hat er nicht mehr erlebt.

Die Hakkapeliten waren selbst innerhalb des äußerst grausam geführten 30-jährigen Krieges ("Der Krieg nährt den Krieg.") als besonders gewalttätige Truppe gefürchtet. Sie wurden als schwedisches Reiterregiment anfangs aus Finnland rekrutiert, später durch internationale Söldner erweitert. Ihr oberster Heerführer Torsten Stålhandske war nach unseren Begriffen ein äußerst gewalttätiger, berechnender und gieriger Kriegsverbrecher (und Kriegsunternehmer wie alle Generäle der Zeit). Sein Grab ist das am luxuriösten ausgeführte Grab des Turkuer Domes und hat eine eigene, abgesperrte Seitenkapelle. Der Name Hakkapeliten hat sich in der deutschen Geschichtsschreibung etabliert. Er stammt vom Schlachtruf der Reitertruppe "Hakkaa päälle!", was so in etwa "hacke auf den Kopf", frei "schlag zu" heißt. Wie viele Söldner und Soldaten der Zeit waren die Hakkapeliten Vergewaltiger, Schlächter und Räuber, die ihren schrecklichen Ruf durch ihre Grausamkeit gefestigt haben.

Als Angehöriger einer Infanterietruppe dürfte Johannes "Hans" Gardiemeister jedoch keine Verbindungen zu den Hakkapeliten gehabt haben.
Spreekind
Landkartengucker
Beiträge: 5
Registriert: 29. Jan 2022 17:34
Danksagung erhalten: 2 Mal

#7 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von Spreekind »

Vielen Dank, André, das ist wirklich fabelhaft und einfach hochspannend !
Spreekind
Landkartengucker
Beiträge: 5
Registriert: 29. Jan 2022 17:34
Danksagung erhalten: 2 Mal

#8 Re: Meine kleinen Erfahrungen

Beitrag von Spreekind »

Eine andere männliche Person Names Yrjö Akselinpoika Kinnunen, Schwedisch : Jören Axelsson Wijkberg (Kinnunen)
*25 November 1721 in Ilmolahti, Viitasaari, Finland + 03 Juni 1762 Remplin, Mecklenburg-Vorpommern,
(Dog som soldat i Pommerska kriget (1757-1762). Slaget vid Neu Kahlen ?)
kommt in den Stammbäumen meiner weitzurückliegenden Personen vor. https://www.geni.com/people/Yrj%C3%B6-K ... 2797905173

Wismar war lange Zeit ein Zentrum der Schweden in Mecklenburg. Beim Abzug haben die Schweden viele Unterlagen in Wismar gelassen und diese werden im Archiv nun aufgearbeitet und sollen veröffentlicht werden (Langzeitprojekt). Dort soll jedes Jahr eine Musterung stattgefunden haben mit Namensnennung usw. Ein Traum für jeden Interessenten.
Antworten

Zurück zu „Kultur“