Beschwerdechor

[Hatti]

<span style="color:red;">Singen statt raunzen[/color]


Hamburg hat bald seinen Beschwerdechor.Die Welt ist schlecht, und das Leben ist schwer: Gegen diese allgemein bekannten Tatsachen kann man jetzt in Hamburg ansingen. Dort gastiert bis Anfang Juli der Beschwerdechor, ein schräges Kunstprojekt des deutsch-finnischen Künstlerpaars Tellervo Kalleinen und Oliver Kochta-Kalleinen.

"Das Leben geht den Bach runter"
Der Chor, den es bereits in Birmingham und in Helsinki gab, sammelt in den nächsten Wochen sowohl Mitglieder als auch Beschwerden.


Gefragt sind Nörgeleien aller Art über konkrete Anlässe ("Warum ist das Bier in der Stadt so teuer?"), eigene Unzulänglichkeiten ("Mein Bart wächst zu langsam") und allgemeine Feststellungen über Gott und die Welt ("Das Leben geht den Bach runter").


Die Reklamation
Beim ersten Auftritt in Birmingham vor rund einem Jahr war das Projekt ein voller Erfolg. Acht Minuten dauert das eigens komponierte Chorwerk mit den gesammelten Beschwerden aus der englischen Stahlstadt.


"Ich will mein Geld zurück. Mein Job ist eine Sackgasse. Und warum kommt der Bus um 6.30 Uhr so selten?" heißt es im Refrain, und weiter: "Warum zahlen sie mir nicht mehr? Das Leben war früher besser, und ich habe Durst."


Die Raunzereien in den Strophen reichen von "Warum braucht mein Computer so lang?" und "Ich habe noch nie im Lotto gewonnen" bis zu komplexen psychologischen Beobachtungen: "Die Leute essen beim Teetrinken immer meine Kekse. Ihre Kekse teilen sie aber nie. Keiner mag mich."


Rap und Bananen
Der Song wird im Verlauf der acht Minuten immer absurder. "Einige Bananen werden nicht reif, sondern immer heller und schließlich weiß. Manchmal glaube ich, es sind tote Bananen", lautet eine der abstrakteren Textzeilen; einer der Sänger legt eine a cappella begleitete Rap-Einlage ein, und schließlich steigern sich die Sänger in ein fazitartiges Finale: "Es ist nicht fair."


Sänger gesucht
Die in Hamburg gesammelten Beschwerden werden von der Musikerin Stefanie Ressin zusammengefasst und als neues Chorstück vertont. Wem das nicht genug ist, der kann sie auch mit Inbrunst selbst in die Welt trällern.


Kalleinen und Kochta-Kalleinen stellen den Beschwerdechor eigens aus Mitgliedern aus den jeweiligen Städten zusammen. "Keine Chor-/Singerfahrung notwendig", heißt es dazu auf der Website der Hamburger Galerie für Landschaftskunst, die das skurrile Kunstprojekt veranstaltet.


Wundersame Transformation
Der Chor hat aber durchaus einen ernsthaften Hintergrund. "Mit der Glorifizierung der Beschwerde haben die Künstler eine Plattform geschaffen, die uns allen zugänglich ist, eine Arbeit, die das Unmögliche schafft: etwas Unangenehmes und Negatives in etwas Produktives und Positives zu verwandeln", schrieb der finnische Kunstkurator Mika Hannula anlässlich des Projekts in Helsinki.


Die Banalität des Nörgelns
Das Raffinierte am Beschwerdechor ist, dass er auf zwei Ebenen funktioniert. Einerseits sind die gesammelten Beschwerden so allgemein, dass sich jeder damit identifizieren kann.


Durch die Aneinanderreihung unzähliger Nörgeleien - der Birmingham-Beschwerdesong dauerte acht Minuten - entsteht andererseits ein komischer Effekt, der dem Chorpublikum die Banalität und Lächerlichkeit vor Augen führen soll.


In Hamburg wird der Beschwerdesong Ende Juni bei fünf Proben einstudiert. Am 2. Juli soll der Chor dann durch den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg touren und ihn an mehreren Stationen aufführen. Ein weiterer Stopp ist in St. Petersburg geplant.


Links:


Beschwerdechor
Galerie für Landschaftskunst

[Loja]

Genial! Schade, dass Hamburg so weit weg ist [img]mad.gif[/img] .

[Nane]

Das ist ja mal eine super Idee...

(Da mein erstes Smilie-Bild,dank Zeratul..hihi)

[Loja]

Du bist sicher die rote Beschwerdesängerin , chchchch.

[saksade]

Financial Times Deutschland
Freitag, 20. Oktober 2006
Seite 6