Tschernobyl

Muss nicht mit Finnland zu tun haben (Veranstaltungen, Treffen, Glückwünsche, Freude, Wut, Trauer, Liebeskummer, Wetter...)

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sunny1011
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#1 Tschernobyl

Beitrag von sunny1011 »

Hallo,

es ist zwanzig Jahre her. Eine "neugierige" Frage. Wie habt ihr Tschernobyl erlebt (falls überhaupt, ich meine die <1986 Jahrgänge wohl nicht), was habt ihr in Erinnerung?

Ich war 15 und lebte in Schlesien, also noch näher dran. Es gab eine unglaubliche Helligkeit, einen undefinierbaren Regen, einen dicken Hals... und KEINE Nachrichten. Die Sonne war hell umkreist. Wie es später berichtet wurde, mutwillig verheimlicht, runtergespielt, belogen. Wie auch denn anders? Der Wind war westlich bis südwestlich, ging also genau in diese Richtung.

Wir haben flüssigen Jod verabreicht bekommen, aber zu spät. Damit die Aufnahme vom radioaktiven Jod verhindert wird, hab ich mir sagen lassen. Das haben nur jugendliche bis 18 bekommen. Bäh, war das Zeug eklig. Erst später durfte man nur begrenzt raus, aber zu dem schlimmsten Zeitpunkt wusste man eh nix.

Hoffentlich passiert sowas nieeee wieder... :(
Aus Finnen von Sinnen [auf Finndeutsch]: "Finnland verhält sich zu der Erde wie das Erde zu der Universum. Weisst du, wir sind ein bisschen weit weg von die Zentrum, und wenn du vorbeifliegst an uns, denkst du, ach, da gibt es doch nur Wasser und Wolken. Deswegen steigt auch wenige aus hier. Macht aber nix, sind ja auch ganz gut allein zurechtgekommen bis jetzt (...) Allerdings lässt sich dieser O-Ton (...) hochmutiger auslegen. (...) dass ihre Heimat der einzige Ort auf Erden ist, an dem sich wahrhaft intelligentes Leben findet (...)
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Svea
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#2 Re: Tschernobyl

Beitrag von Svea »

Ich habe ja noch nichts davon mitgekriegt (war 1 Jahr alt), aber ich bin immer wieder total schockiert, wenn ich davon lese :( .
In der Schule hatten wir das Thema sowohl im Religions-, Geschichts- und Politikunterricht sehr ausführlich behandelt.

Ich kann wirklich absolut nicht verstehen, wie man Atomenergie unterstützen kann, gerade wo doch schon deutlich geworden ist, was dabei passieren kann...

In einer Doku (ist aber schon 10 Jahre her) habe ich mal gehört, dass es noch genau so ein Kernkraftwerk vom gleichen Bautyp wie Tschernobyl in Litauen gibt. Die Anlage ist in ziemlich marodem Zustand und war vor 10 Jahren noch in Betrieb. Ich denke heute auch noch :( ...
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Lahja
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#3 Re: Tschernobyl

Beitrag von Lahja »

Ich habe überhaupt gar nix mit bekommen von Unfall, weil ich da noch gar net geboren war(bin erst imSeptember 86 geboren). Aber meine Mutter ist nicht mehr so oft rausgegangen.

Ich persönlich finde es unverantwortlich, dass nachdem die Roboter die Radioaktive Strahlung nicht mehr ausgehalten haben und den geist aufgegeben haben, wurde ja Männer mit Papieranzüge!!! reingeschickt. Man hat die Männer einfach angelogen, diese Papieranzüge würden die Strahlung nicht durchlassen. (hab ich in einer Reportage gehört)

Was ich auch nicht glauben kann ist, dass die Regierungen, egal vom welchen Land, nichts gesagt haben.
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hullu poro
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#4 Re: Tschernobyl

Beitrag von hullu poro »

Ich war erst ein paar Monate alt, mich würden auch Erfahrungsberichte interessieren...danke für deinen, Sunny.

Zum Thema Atomkraft: gerade in den Nachrichten wurde bekanntgegeben, dass das lange geplante 6. Atomkraftwerk hier in Finnland in die Bauphase geht. 2015 soll es fertig sein..... :rolleyes: [img]mad.gif[/img]
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Hatti
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#5 Re: Tschernobyl

Beitrag von Hatti »

Ich war 12 jahre alt und hatte am nachmittag Turnen- sinnigerweise Weitspringen im Sand!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Naja, als ich dann heimkam ist miene Mutter schon mit dem Jod dagestanden. Aber meine Schilddrüse ist im hinüber seitdem........

Begriffen hab ich das Ganze erst Jahre später..... und auch heute noch schauderts mich
"Und ein Mädchen, das einen Wolf nicht von seiner Großmutter unterscheiden kann, muss entweder total dumm sein oder aus einer extrem hässlichen Familie stammen."

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Zeratul
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#6 Re: Tschernobyl

Beitrag von Zeratul »

da war ich noch keine 4 Monate alt...
so ziemlich gar nix mitgekriegt

später irgendwann mal in der Schule drüber gesprochen
und meine Mutter hat mir erzählt dass sie damals mitm Essen, Milch und so ziemlich aufgepasst haben...
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Syysmyrsky
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#7 Re: Tschernobyl

Beitrag von Syysmyrsky »

Tja, da war ich 15, 9. Schuljahr zum Zweiten. Der Unfall passierte samstags, aber die Berichterstattung in Deutschland kam erst am Montag (2 Tage später) in Gang. Man sprach von erhöhten Strahlenwerten in Schweden, Norwegen und Finnland, vermutlich wegen eines Unfalls in Russland. Erst drei Tage nach dem Unfall ließ die russische Nachrichtenagentur TASS etwas verlauten, daß es einen ernsten Unfall gegeben hat. Die Informationspolitik hinter dem eisernen Vorhang war eh eine Sache für sich. Innenminister Zimmermann warnte vor übertriebener Panikmache und es wurde öffentlich erklärt, daß im dichtbesiedelten Deutschland nichts passieren könne. Das war ganz schön krass, wie alles verharmlost wurde. Als es an einem der folgenden Tage regnete, wurde in der Schule untersagt, nach draußen zu gehen. Das war ganz schön gespenstig.
Zuletzt geändert von Syysmyrsky am 29. Apr 2006 06:00, insgesamt 1-mal geändert.
Hinter einem denglisch-babylonischen Sprachgewirr kann man sich wunderbar verstecken, Wissenslücken vertuschen und Kompetenz vorgaukeln.
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Tuisku
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#8 Re: Tschernobyl

Beitrag von Tuisku »

Ich war zwar zur Zeit des Unglücks auch schon 14 Jahre alt, aber sehr viel ist mir nicht in Errinnerung geblieben. Bei uns gab es keine Massnahmen, denn Tschernobyl sei zu weit weg und die radioaktive Wolke käme wegen der Wetterlage nicht zu uns.

Ob es dann wirklich so war und was es für Einschränkungen es z.B. bei Lebensmitteln gab weiss ich nicht mehr. Einzig dass Kinder von Tschernobyl für Ferien in die Schweiz eingeladen wurden, ist noch irgendwo in den grauen Hirnzellen hangengeblieben.

Ansonsten habe ich erst jetzt durch die grosse Berichterstattung anlässlich des 20.Jahrestages, viele neue Informationen bekommen, die mich damals noch nicht so interessierten.


Viel aktueller ist da natürlich die Errinnerung an den 09.11. Da weiss ich heute noch genau, was ich an diesem Nachmittag/Abend gemacht habe, als diese Meldung aus den USA kam.
Zuletzt geändert von Tuisku am 29. Apr 2006 01:12, insgesamt 1-mal geändert.
Naali
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#9 Re: Tschernobyl

Beitrag von Naali »

Ich war 7 Jahre und kann mich eigentlich nicht so sehr erinnern. Im Kopf geblieben sind mir die Bilder aus dem Fernsehen und dass man zum Beispiel selbstangebautes Obst und Gemüse nicht mehr essen durfte.
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riksu
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#10 Re: Tschernobyl

Beitrag von riksu »

ich war 10 und weiss nur noch, dass wir in diesem jahr wieder einmal sommerurlaub in FIN gemacht haben und wir kinder nicht wirklich im wald spielen durften. bzw uns wurde eingetrichtert, keine beeren zu essen (das haben wir nämlich mit vorliebe gemacht)

aber sonst kann ich mich auch kaum daran erinnern...
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Omega
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#11 Re: Tschernobyl

Beitrag von Omega »

6 Jahre war ich damals. Viel weiß ich nicht mehr von dato. Außer, das man keine Pilze, Beeren und Wild essen sollte.

Wenn man im Nachhinein die Bilder sieht, wirkt´s gespenstisch. Genau so wie nach der Stunde Null.

Das atomare Strahlung nicht gesund ist, wußte man aber.
In der damaligen Regierungsform war´s halt an der Tagesordnung, die Schnauze zu halten und bespitzelt zu werden. Also wurde man einfach gesagt hingeschickt und verheizt.

Bis heute weiß man ja noch nicht einmal, wieviele Tote es gab.




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Svea
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#12 Re: Tschernobyl

Beitrag von Svea »

Tuisku schrieb am 29.04.2006 01:05
Einzig dass Kinder von Tschernobyl für Ferien in die Schweiz eingeladen wurden, ist noch irgendwo in den grauen Hirnzellen hangengeblieben.
Eine meiner Mitbewohnerin wohnt in einer ländlichen Gegend und auf den Hof ihrer Eltern kommen heute noch Kinder aus der Nähe von Tschernobyl, um dort die Ferien zu verbringen.
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Omega
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#13 Re: Tschernobyl

Beitrag von Omega »

Habe soeben dies hier in der Tageszeitung von gestern entdeckt:

Buchtip!

"Tschernobyl. Nahaufnahme."
von Igor Kostin
Verlag Antje Kunstmann,
240 Seiten, 24,90 Euro


Der zerstörte Reaktor

Igor Kostins Nahaufnahmen aus Tschernobyl

Der Fotograf Igor Kostin war der Erste, der vor 20 Jahren Bilder vom explodierten Atom-
reaktor in Tschernobyl machte. In den Monaten und Jahren danach kam er wieder und wieder
hierher zurück. Tausende Bilder, die er dabei gemacht hat, geben der unvorstellbaren Atom-Katastrophe ein Gesicht.
Das allererste Foto vom zerstörten Reaktor machte Kostin wenige Stunden nach dem Unglück aus einem Hubschrauber heraus. Ahnungslos öffnete er direkt über dem Kraftwerk für eine bessere Sicht das Fenster. Nach etwa 20 Bildern klemmte die Kamera. Wie sich später herausstellte, was das egal: Die Strahlung belichtete fast den gesamten Film.

Nur ein Bild gelang. Seltsam grobkörnig zeigt es einen verwüsteten Reaktorblock im runden Fenster des Helikopters und damit das Ausmaß des zunächst verschwiegenen Unfalls.

Kostin blieb zunächst ohne offizielle Erlaubnis vor Ort. Entstanden sind große, tragische Bilder von Menschen, die dem Tod ins Antlitz sehen. Soldaten, nur mit lächerlich wirkungsarmen Bleischürzen und Atemmasken geschützt, räumen mit Schaufeln den verstrahlten Schutt vom Reaktordach. Jeder Einsatz dauert nur 40 Sekunden, sonst ist man tot. Da sind Polizisten, die im verseuchten Straßenstaub den Verkehr regeln, Hubschrauberpiloten, die Blei in den noch heißen Reaktorkern abwerfen müssen. Mitten im Einsatz bekommen sie Schwindelanfälle.

Ebenso anklagend sind die Fotos mancher Menschen beim Umzug am 1. Mai in Kiew, den die kommunistischen Machthaber zu feige waren abzusagen. Oder das Bild eines lachenden Jungen mit einem Spielzeug-Telefonhörer in der Hand - er wurde mit verkrüppelten Beinen und ganz ohne rechten Arm geboren.

Mehr als alle Worte führen Kostins Bilder das Wesen der Radioaktivität vor Augen. So malerisch sehen die Landschaften aus, so idyllisch die Dörfer, so saftig die Äpfel in den Gärten - doch noch immer darf niemand hier lange bleiben.

Die vergessene Puppe

Da sind Fotos von der toten Stadt Pripjat direkt am Kraftwerk, einst Heimat von 47 000 Menschen; leere Wohnblocks, eingeschneite Autos, das Riesenrad, das für immer anhielt, ein Autoscooter, an dessen bunten Wagen allmählich die Farbe abblättert. Eine vergessene Puppe im Fenster eines verlassenen Dorfhauses. Ein Maschinenfriedhof, auf dem verstrahlte Lastwagen, Bagger und Hubschrauber stehen.

Es sind dies alles Bilder, die sich auf immer ins Gedächtnis brennen.

von Andrej Sokolow



Omega
Zuletzt geändert von Gast am 30. Apr 2006 08:28, insgesamt 1-mal geändert.
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