Finland is not for the ambitious

Du beabsichtigst Deutschland den Rücken zu kehren und willst lieber in Finnland die Mücken zählen? Das will gut bedacht und vorbereitet sein! Hier kommen auch im "Exil" lebende Deutsche, Schweizer und Österreicher zu Wort.

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André
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#16 Re: Finland is not for the ambitious

Beitrag von André »

Was heißt schon ambitious global gesehen? Finnland ist eines der Länder mit dem höchsten Lebensstandard weltweit, wie auch Deutschland. Für neunzig Prozent der Menschheitspopulation würde es eine Verbesserung der Lebensumstände bedeuten in einem dieser beiden Länder zu leben. Wie jedes Land hat Finnland jedoch sowohl positive Seiten als auch negative Seiten. Finnland ist im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn und Deutschland in wirtschaftlicher Hinsicht nicht annähernd so stabil. Das hat man an den unkontrollierten Strompreissteigerungen letztes Jahr im Juli und August gesehen. Auch so ist Finnland im globalen Handel nicht breit genug aufgestellt und auf wenige Erfolgsrezepte angewiesen. Wirtschaftlich kann es in Finnland jederzeit zu starken Einbrüchen kommen. Andererseits hat Finnland durchaus ein hohes Bildungsniveau. Peter hat es schon geschrieben: nach Kalifornien dürfte es kaum ein weiteres Land auf der Welt geben, aus dem so viele Standards der IT kommen wie aus Finnland. Und das auch in den letzten Jahren. Allerdings ist es auch typisch, dass viele finnische Entwickler dazu neigen ihre Software als Open Source, also nicht mit der gleichen Wertschöpfung wie in den USA, zu veröffentlichen. Finnland ist eines der europäischen El Dorados für IT-Spezialisten.

Was mich an Finnland viel mehr reizt, sind seine Naturräume und die Menschen, die mir sehr liegen in ihrer höflichen Distanziertheit bei gleichzeitig großer Hilfsbereitschaft im Bedarfsfall. Dabei möchte ich natürlich einräumen, dass ich auch schon sehr unangenehme Menschen kennengelernt habe, ungebildet und voller rassistischer Vorurteile. Vor ein paar Tagen hatte ich wieder eines der Erlebnisse, die es in Deutschland nie geben wird. Ich habe auf der Seite der staatlichen Maanmittauslaitos zwei Karten bestellt. Welche deutsche Behörde hat einen Shop auf ihrer Seite? Dann war es so, dass vom Formular her keine Lieferung ins Ausland geplant war. Man konnte nur finnisch-inländische Adressen eingeben. Ich habe meine deutsche Adresse ohne Länderangabe eingegeben und bezahlt. Drei (!) Tage später hatte ich die Karten im Briefkasten - ohne Rückfragen. Und ohne Liefergebühren. Für 15.50 Euro pro Karte (ich habe für den gleichen Kartentyp in Deutschland im Fachhandel fast 40 Euro zahlen müssen). Die Maanmittauslaitos stellt auch eine hervorragende, digitale Wanderkarte allen Menschen kostenfrei zur Verfügung. Bei Garmin zahlt man für eine gleichwertige Karte mehrere Hundert Euro. Diese Sichtweise von Behörden, sich als Dienstleister an den Einwohnern und sogar darüber hinaus auch an Menschen aus dem Ausland zu sehen, ist meiner Erfahrung nach einmalig. In deutschen Behörden bin ich stets Bittsteller und werde von oben herab behandelt und sogar gemaßregelt.
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Sapmi
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#17 Re: Finland is not for the ambitious

Beitrag von Sapmi »

Peter hat geschrieben: 28. Mär 2023 23:15
Deutschland ist eben ein Überflussland während sich der Finne eher auf das Wesentliche konzentriert. Dies ist jedenfalls meine Beobachtung. Dies habe ich aber nie als nachteilig empfunden. Unsere Vielfalt an Waren ist in meinen Augen einfach überflüssig …
Wobei das auch wieder auf den Bereich ankommt (ich denke da z. B. an Salmiak-Produkte :lol: ). Ja, klar, insgesamt ist die Auswahl in FIN kleiner als in D, aber ich vermute, das hängt auch irgendwie damit zusammen, dass es dort viel weniger Menschen gibt – und die deutsche Bevölkerung evtl. auch insgesamt etwas „pluralistischer“ ist, d.h. es gibt hier eine höhere und ggf. auch diversifiziertere Nachfrage.

Das weniger an Waren macht Finnland aber ja technisch nicht zum Entwicklungsland. Vielleicht setzt Finnland ja andere Prioritäten, z.B. im digitalen Bereich?

Dann wäre da noch die Entwicklung von Quantencomputern des finnischen Unternehmens IQM zu nennen und viele andere technische Unternehmen die für Fortschritt und Innovation stehen.
André hat geschrieben: 29. Mär 2023 07:55 Peter hat es schon geschrieben: nach Kalifornien dürfte es kaum ein weiteres Land auf der Welt geben, aus dem so viele Standards der IT kommen wie aus Finnland. Und das auch in den letzten Jahren. Allerdings ist es auch typisch, dass viele finnische Entwickler dazu neigen ihre Software als Open Source, also nicht mit der gleichen Wertschöpfung wie in den USA, zu veröffentlichen. Finnland ist eines der europäischen El Dorados für IT-Spezialisten.
Ja, der IT-Bereich fällt einem bei FIN als erstes ein. Aber ich habe auch sonst den Eindruck, dass technisch das Meiste gut läuft. z. B. wurde der KfZ-Bereich erwähnt. Ich bin seit über 20 Jahren regelmäßig ohne Auto in Lappland unterwegs und somit auf die Busse angewiesen, die ich immer als robust und zuverlässig erlebt habe. Es gibt Länder (in denen ich selbst nie war, aber ich erkenne die diversen Erzählungen), in denen da ständig was kaputt geht und ggf. notdürftig geflickt wird. So in etwa stellt sich das vermutlich jemand vor, der noch nie in FIN war und die weiter oben von sieg01 und Wandersmann genannten Beispiele liest. :mrgreen:

Peter hat geschrieben: 28. Mär 2023 23:15 Etwas anderes ist es mit der sozialen Integration. Da tun es sich nicht wenige Deutsche und Menschen anderer Nationen schwer. Mit der finnischen Mentalität kommt nicht jeder Deutsche zurecht.
Jep, genau das ist eben wirklich individuelle Geschmackssache. Natürlich ist es immer einfacher, wenn man die Sprache spricht, aber ich mag die klischee-finnische Mentalität persönlich ganz besonders, weil sie in vielerlei Hinsicht zu meinem eigenen Wesen passt. Schweden und Norweger sind da schon wieder ganz anders. Ich habe da so eine ganz nette Anekdote, über die auch Finnen gerne lachen: Vor ein paar Jahren war ich im Sommer mal wieder 1 Monat im Norden (N, S und FIN) und die erste Mehrtageswanderung war in Süd-Norwegen, dort habe ich am Rand eines Wandergebiets mit anderen Leuten auf einen Shuttle-Bus gewartet und mich irgendwann auf eine der Bänke gesetzt. Dort guckte ich also so in die Luft und hing meinen Gedanken nach, als sich plötzlich jemand ans andere Ende der Bank setzte. Ich bin erst regelrecht erschrocken, aber dann fiel mir ein: „Ach, stimmt ja, ich bin ja noch gar nicht in Finnland“. Bild

Peter hat geschrieben: 28. Mär 2023 23:16
Sapmi hat geschrieben: 28. Mär 2023 20:58 (ok, Ausnahme ist die Sache mit der Bäckerei, das kann ich mir gut vorstellen, denn "richtiges" Brot muss man in FIN echt suchen :razz: )
Ja, dass ist eine der „Unzulänglichkeiten“ der Finnen aber auch z.B. der Dänen. Diese ledernen Roggenfladen sind wirklich nicht jedermanns Sache (in Dänemark das weiche Labberbrot).
Ja, das mit dem Brot ist wohl in den ganzen nordischen Ländern so. Wenn ich dort dauerhaft wohnen würde, würde ich vermutlich auch zum Selbstbacken übergehen. Bild Wobei es in größeren Läden in größeren Orten mittlerweile schon hin und wieder auch richtige Brotlaibe zu kaufen gibt. Ich meine, in Levi hätte ich sogar mal eine ganz gute Sorte gefunden. :mrgreen:
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#18 Re: Finland is not for the ambitious

Beitrag von Peter »

André du hast recht. Finnland hat seine Vor und Nachteile wobei je nach Sichtweise nicht jeder für sich die Vor- und/oder Nachteile erkennt. Ich sehe schon gewisse Nachteile Finnlands im Vergleich zu Deutschland. Für mich überwiegen da aber die Vorteile die für mich das Leben lebenswerter machen. Was nutzt mir eine hochdotierte Stellung in irgendeiner Vorstandsetage oder als leitender Ingenieur einer IT-Firma wenn ich ansonsten evtl. nicht glücklich werde? Das soll nicht heißen, dass ich nicht gut verdienen möchte. Schließlich will eine Familie gut versorgt werden und man möchte sich auch etwas gönnen. Nur ist für mich eben eine hochdotierte Stellung nicht alles. Ich möchte auch einfach nach meinen Vorstellungen gut leben. Und das würde mir Finnland von allen Ländern die ich bisher besucht habe am ehesten bieten. Land und Leute und die Natur spielen da für mich eine große Rolle.
Auch Neuseeland wäre für mich ein sehr interessantes Land zum Auswandern. Allerdings wäre ich da am A.... der Welt. Und weil ich in Deutschland einfach zu viele Familienangehörige und gute Freunde habe die ich nicht mal eben so besuchen könnte entfällt Neuseeland als Option für eine Auswanderung.

Was einen sicheren Arbeitsplatz betrifft: Da unterscheiden sich Finnland und Deutschland schon lange nicht mehr. Teilzeitverträge und zweiter Job, in Finnland schon lange nichts Besonderes wird zunehmend auch in Deutschland zur Regel.
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#19 Re: Finland is not for the ambitious

Beitrag von sieg01 »

Leider wurde die Studie nicht verlinkt.

"Unmotivated Finns": https://yle.fi/a/74-20085065

Erstaunlich, dass die Finnen mit den Serben verglichen werden. Wie schon hier verglichen worden: http://finnland-forum.de/viewtopic.php?t=4962
Finnland, der Balkan des Nordens

Frustrierend ist, dass die Finnen versuchen auch die "Eingewanderten" auf ihr Niveau "abzubremsen", anstelle, dass Leistung entsprechend honoriert wird.
Ich spreche hier aus leidiger Erfahrung.



Nachtrag: Link zu einer unbekannten Quelle entfernt.
www.bikestation.fi - do the ride thing!
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#20 Re: Finland is not for the ambitious

Beitrag von sieg01 »

Und weiter geht's:
Ein neuer Artikel über die finnische Arbeitsmentalität passend zum Thema. Diesmal betrifft es die Unternehmensführung.

https://c5bf41ab762b20ebdb46b919a927221 ... kitimes.fi

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe. Wenn also schon die Unternehmensführung unmotiviert ist, weshalb sollten dann ausgerechnet die Angestellten die treibende Kraft sein.
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